In der Financial Times wurde kürzlich ein neuer Ansatz für die Produktentwicklung diskutiert. Mehr und mehr werden große, etablierte Unternehmen von kleineren, jüngeren Organisationen aus dem Rennen geworfen, wenn es um die Entwicklung innovativer und zielgruppengerechter Produkte geht.
Ein gutes Beispiel ist „Number26“ aus Berlin. Das Unternehmen bietet „Europas modernstes Girokonto“ an. Ein Konto kann in weniger als 8 Minuten eröffnet werden, eine Überweisung oder die Sperrung einer verlorenen Karte erfordert jeweils nur einen Klick. Konto und Kreditkarte sind dabei kostenlos. Ganze 45 Mitarbeiter kümmern sich um 30.000 Kunden, die seit Januar gewonnen werden konnte.
Es sind neue Wettbewerber dieser Art, die große, etablierte Unternehmen zwingen beweglicher zu werden und „agile Entwicklungsmethoden“ bei der Produktentwicklung einzusetzen.
Die Idee für agile Ansätze kommen ursprünglich aus der Software-Entwicklung („agile and lean“).
Herkömmliche Entwicklungsmethoden werden als „Waterfall“ bezeichnet – dies sind fortwährende top-down-Prozesse, die eine umfängliche Dokumentation erfordern und bei der immer wieder die Zustimmung anderer Bereiche oder Abteilungen eingeholt werden muss. Es gibt „milestones“ und nur wenn diese erfolgreich abgeschlossen sind, kann die nächste Prozessphase eingeläutet werden. Viele von Ihnen werden solche Projekte aus dem Marketing kennen: sie fingen einmal mit einer guten Produktidee an und wurden über die Jahre von Brand Manager zu Brand Manager weitergereicht. Es gab verschiedene Entwicklungsphasen und viele Konzepttests. Und irgendwann verliert sich der Faden, viele solcher Ideen werden niemals zur Marktreife gebracht. Das ist am Ende vielleicht sogar gerechtfertigt, denn im Laufe der Zeit haben sich die Kundenbedürfnisse, für die das Ursprungskonzept gedacht war, schon wieder verändert.
Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass – einmal dem Kunden vorgestellt und im Markt eingeführt – Änderungen nur noch schwer und mit viel Aufwand durchgeführt werden können, da man gleiche an „das ganze Konzept“ rühren muss.
Ganz anders beim agilen Vorgehen. Sehr beliebt ist zum Beispiel „Scrum“: eine teambasierte inkrementelle Entwicklungsmethode. Die Entwicklung wird hier in Zyklen, sogenannten „sprints“, organisiert. Während eines Sprints entwickelt das Team ein Produkt, das die wichtigsten Anforderungen (aus einer priorisierten Liste) erfüllt. Am Ende eines jeden Sprints liefert das Team ein potentiell nutzbares Produkt. Nach dem Kundenfeedback kann das Produkt im nächsten Sprint geändert und umpriorisiert werden.
Anstatt jede Abteilung und Disziplin in jeweils nur eine Phase einzubinden, werden von Beginn an interdisziplinäre Teams aus allen Bereichen gebildet (daher die Bezeichnung „scrum“ = Gedränge; ein Begriff aus dem Rugby, der die Anregung für den Namen gab). Man trifft sich täglich in informellen meetings („daily standups“) in denen alle Teammitglieder ein Update geben. Sprints dauern in der Regel nicht länger als einen Monat und sie führen zu potentiellen Produkten (in Scrum: „potentially shippable product“). Dieses kann dem Kunden vorgestellt werden, er gibt Feedback, da wiederum im nächsten Sprint berücksichtigt wird.
Agile Methoden sind also nicht nur schneller, sondern auch wesentlich kundenorientierter als traditionelle Waterfall-Ansätze. „Agil“ meint hier im besten Wortsinne auch: in der Lage sein, auch auf sich im Prozess verändernde Kundenanforderungen zu reagieren und einzugehen.
Unternehmensintern erfordert diese Arbeitsweise Teamplayer mit dem Wunsch zur Kooperation. „Stars“ sind in den „Scrums“ nicht wirklich hilfreich.
Eine Studie von The Standish Groupe zeigt, so die Financial Times, dass Projekte, die mithilfe von agilen Methoden entwickelt wurden eine Erfolgsrate von 49% haben. Projekte, die auf traditionellen Ansätzen beruhen, kommen demnach lediglich auf eine Rate von11%.
Bevor also Traditionsunternehmen zuschauen, wie Start-ups das Banking neu erfinden oder andere Kategorien aufmischen, könnten Sie stattdessen agile Entwicklungsmethoden nutzen um schneller und zielgerichteter Produkte und Services auf den Markt zu bringen.
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