Im Zeitalter der Innovationen können wir ständig Erfahrungen mit neuen Technologien machen, sei es als Konsument oder als Professional an unserem Arbeitsplatz. Gerade feiert eine Vintage-Technologie aufgrund ihrer sprunghaften Weiterentwicklung ein Comeback. Die Rede ist von Virtual Reality (VR). Die meisten bringen es vermutlich mit den 80er Jahren in Verbindung, als Arcade-Video-Spiele ihren Lauf hatten. Tatsächlich ist das Konzept der VR viel älter. Die früheste Form von VR wurde in Flugsimulatoren im Zweiten Weltkrieg eingesetzt um Piloten am Boden zu schulen, bevor man sie in die Schlacht schickte.
Mit den Fortschritten bei der Computergrafik und anderen Bildgebungstechnologien entwickelte sich auch VR weiter. Später wurden Head-Mounted Displays (HMD) in den Markt eingeführt, die für Video-Spiele zu Hause oder individuelles Fernsehen in 3D oder HD-Qualität genutzt wurden. Diese Headsets waren nichts anderes als Bildschirme, die man betrachtete. Das Sichtfeld veränderte sich nicht, auch wenn man den Kopf wendete. Das sollte sich ändern.
2012 hat ein enthusiastischer Videospieler und Technologie-Designer an der University of California (Palmer Luckey) den ersten Prototyp des Oculus Rift in der Garage seiner Eltern entwickelt. Sein Ziel war die Verknüpfung eines Personal Viewing Headsets mit VR, um den ultimativen Traum eines jeden Videospielers zu realisieren: die vollkommene Immersion ins Spiel.
Das Oculus Rift ist eine „Virtual Reality Brille“, die mit dem PC oder Mobilgerät verbunden wird und ihren Träger in eine gewählte Umgebung eintauchen lässt. Ähnlich wie bei Steve Jobs und seinem Apple I erfuhr Luckey’s Idee einen kometenhaften Aufstieg, von der Garage zum Milliardending: 2014 kaufte Facebook die Firma und alle Rechte am Headset für 2 Milliarden Dollar.
Stellen Sie sich eine große Skibrille mit zwei Bildschirmen anstelle der Gläser vor. Die Bildschirme bilden gleichzeitig zwei Bildfolgen ab, eine für jedes Auge. Mithilfe zweier Objektive wird eine stereoskopische 3D Anmutung erreicht. Nach mehreren Richtungen der Datenbrille sind Sensoren angebracht, die die Bewegungen des Trägers erkennen und das Bild entsprechend angleichen. Das macht den Blick in alle Richtungen des simulierten Umfelds, nach oben, nach unten und rundum möglich. Das Ergebnis ist ein vollkommenes Eintauchen in die künstliche Welt – anders als bei GoogleGlass oder Microsofts HoloLens, die lediglich der realen Welt Hologramme hinzufügen.
Zwei Kollegen aus unserem New Yorker Büro besuchten kürzlich eine Marktforschungskonferenz in Brooklyn und hatten dabei Gelegenheit das Oculus Rift zu testen. Einer erzählte mir (immer noch schweißgebadet), dass die simulierte Welt aus einem riesigen Baugerüst von der Höhe eines Wolkenkratzers bestand. Er wurde aufgefordert zu springen und es überkam ihn eine Höllenangst wie er sie noch nie erlebt hatte. Er machte einen Schritt vorwärts und hatte augenblicklich das Gefühl in die Tiefe zu fallen. Er hörte die Aufforderung, zurück zu schauen und sah das Gerüst, das im Begriff war auf ihn zu stürzen. Instinktiv ging er einen Schritt zur Seite. Obwohl er sich die ganze Zeit über bewusst war, dass er sich in einem Konferenzraum eines Brooklyner Hotels befand, war er vollkommen eingetaucht in eine Welt voller Höhenangst und Todesgefahr.
Was bedeutet dieser jüngste VR Boom für die internationale Marktforschung?
Man kann die Technologie natürlich auf weit weniger dramatische und spektakuläre Art und Weise benutzen. Dann kann sie der internationalen Marktforschung helfen, ein noch tieferes Verständnis für das Verhalten und die Motive der Zielgruppe zu gewinnen. „Beobachten statt fragen“ lautet die Devise.
Probanden, die nach den Gründen für eine bestimmte Entscheidung oder ein bestimmtes Kaufverhalten gefragt werden, tun sich oft schwer mit der Antwort. Und die Antwort, die dann gegeben wird, entspricht meistens nicht den wahren Gründen. Wahre Gründe für eine Entscheidung sind zum größten Teil unbewusst und können deshalb nicht rational beantwortet werden. Psychologische Forschungen haben gezeigt, dass die Antworten häufig voller Ungenauigkeiten stecken. Viele Faktoren, wie die Gefühlslage zum Zeitpunkt der Entscheidung, das Umfeld und der Zeitraum, der zwischen der aktuellen Befragung und dem erinnerten Ereignis vergangen ist, spielen eine Rolle.
Die Beobachtung des Probanden im Moment der Entscheidung kann mehr Aufschluss geben, denn das Verhalten ist nicht von kognitiven Verzerrungen beeinflusst. Menschen in virtuelle Umgebungen zu versetzen, erlaubt uns ein überzeugenderes Bild von den untbewussten Gründen für eine Markenauswahl oder die Customer Journey zu gewinnen. Immersive Reaktionen sind unwillkürlich und wahrhaftig, wie man an der oben geschilderten Flug- und Fluchtsituation erkennen kann. Oder denken Sie an Ihre Erlebnisse im Kino – das ist zwar nicht VR – aber jeder von uns saß schon einmal schweißgebadet im Kinosessel, wenn es spannend wurde.
Geeignete Forschungsgegenstände für VR sind zum Beispiel
- die Shopper Journey
- Konzepttest / Neuproduktentwicklung
- Customer Experience
- Werbewirkungsforschung
Die Konsumentenmarktforschung ist wie immer schon einen Schritt weiter. Das Oculus Rift wurde in Verbindung mit Eye Tracking Software von Tesla eingesetzt, um ein neues Innenraum-Konzept im Fahrzeug zu testen.
Haben Sie auch schon Erfahrungen mit VR in der Marktforschung gemacht? Sehen Sie Anwendungsmöglichkeiten in der B2B Marktforschung?