Einer unserer langjährigen Kunden wollte uns neulich mit ein paar „ketzerischen“ Fragen provozieren. In etwa so:
Teilnehmer haben genug von lästigen Anrufen und wollen nicht mit Interviewern sprechen. An Online-Befragungen nimmt sowieso keiner mehr teil. In Panels registrieren sich doch nur Studenten, die sich als Berufstätige ausgeben. Persönliche Interviews sind viel zu teuer. Die B2B Marktforschung wie wir sie kennen ist tot. Was kommt jetzt?
Hm, unser Institut lebt von der B2B Marktforschung, niemand hatte uns informiert, dass sie tot sei. Wir führen 50.000 Telefoninterviews im Jahr mit B2B-Zielgruppen durch und etwa die 10fache Anzahl an Online Interviews.
Wo kommt diese falsche Wahrnehmung her? Schauen wir uns die Vorurteile einmal eins nach dem andern an.
Niemand geht mehr ans Telefon
Ja, das trifft auf einige Zielgruppen und auf einige geografische Regionen zu. Ein Beispiel für dieses Verhalten ist das mittlere Management in amerikanischen Unternehmen. Hier ist leitet man Anrufe erst einmal auf die Voicemail, anstatt sie sofort entgegen zu nehmen. Man braucht „Geduld und Spucke“ um seine Quoten in diesen Zielgruppen zu füllen, aber das heißt nicht, dass es nicht möglich ist. Mit guter Vorbereitung, ausreichend bemessener Feldzeit und einer guten Liste kann man eine Beteiligungsquote von 30% erreichen.
Und natürlich gibt es auch in den USA und in zahlreichen weiteren Ländern Unternehmen, in denen das Telefon abgehoben wird, wenn es klingelt. Denn es gibt nach wie vor unzählige Firmen für die das Telefon ein wichtiges Kommunikationsmittel ist, um Geschäfte zu machen.
Wir werden die telefonische Befragung noch lange nicht zu Grabe tragen.
Senior Manager nehmen nicht an Befragungen teil
Es ist nicht wirklich eine Neuigkeit festzustellen, dass die Führungsebene stark beschäftigt ist und viel Zeit in Meetings und Konferenzen verbringt. Nimmt man aber Rücksicht auf ihren Terminplan und vereinbart mit genügend Vorlauf einen Interviewtermin kann man feststellen, wie großzügig und entgegenkommend dieser Personenkreis ist. Unsere Erfahrung zeigt immer wieder, dass, je höher Gesprächspartner in der Hierarchie angesiedelt sind, desto kooperativer sie im Interview sind. Voraussetzung ist, dass sie die Relevanz der Studie für sich und ihr Tätigkeitsfeld erkennen können und nicht das Gefühl von Zeitverschwendung aufkommt.
Schwierig, wenn nicht unmöglich, sind Blind-Befragungen. Nicht nur der Zweck der Studie, auch der Auftraggeber sollten kommuniziert werden.
Online Befragungen werden heutzutage so gut wie nie beantwortet
Es kommt auf die Qualität der E-Mail-Adressen und die Relevanz der Studie für den Teilnehmer an. Irgendeine gekaufte Liste mit vielleicht nicht sehr gut gepflegten Kontakten wird in der Tat kaum mehr als 1 – 2% Rücklaufquote generieren. Aber mit einer gepflegten Kontaktliste, der Nennung des Auftraggebers (möglichst schon in der Betreffzeile) und einem professionellen Nachfass-Management können gute Ergebnisse erzielt werden. Der Charme liegt natürlich in den niedrigen Feldkosten.
Antworten von Online-Panelisten sind Müll
Online-Panels bestehen aus Teilnehmern, die sich registriert haben und eine Aufwandsentschädigung für jede komplett beantwortete Studie erhalten (gleichzeitig wird die Anzahl der Befragungen pro Teilnehmer pro Quartal/Jahr kontrolliert und ist begrenzt). Ähnlich wie beim Telefon gibt es bestimmte Berufsgruppen und Länder, die die Nutzung eines Panels nahe legen oder nicht. Voraussetzungen für den Studienerfolg sind sehr sorgfältige, zielgerichtete Screening-Fragen und eine umfängliche Qualitätsprüfung der Daten. Eine Überrekrutierung von 10% oder mehr sollte von vorneherein eingeplant werden.
Persönliche Interviews sind zu teuer
Nun ja, dies ist die Königsdisziplin und 1 Stunde oder mehr Zeit hat ihren Preis. Wenn das Interview aber auch noch In-Situ, also am Arbeitsplatz, durchgeführt werden kann, liefert es wertvolle Insights, die die höheren Kosten rechtfertigen. Ethnographie am Arbeitsplatz, sozusagen.
Wir haben nie behauptet, dass B2B Marktforschung einfach wäre. Aber tot ist sie gewiss nicht. Sie ist unser Brot-und Butter-Geschäft, Tag für Tag.