Sowohl schnell, als auch langsam – so funktioniert unser Gehirn. Wir fällen schnelle intuitive Entscheidungen, die erst im Laufe der Zeit rationalisiert und „überarbeitet“ werden. Es ist immer der erste Eindruck, der entscheidet. Dieser erste Eindruck bleibt und wird alles Weitere beeinflussen.
Speed Dating basiert auf dieser Erkenntnis. Was läuft ab, wenn Sie das erste Mal vor einem Menschen sitzen und nur wenige Minuten Zeit haben, sich ein Bild von ihm zu machen? Zunächst schauen Sie Ihr Gegenüber an und „taxieren“ die Person. Sie schauen in die Augen – lächelt die Person? Sie betrachten die Kleidung – gefällt sie Ihnen? Sie reagieren auf die Signale der Körpersprache – sind sie offen und entgegenkommend? Und dann stellen Sie Ihre ersten Fragen. Dabei ist gar nicht so wichtig, was Sie fragen. Es zählt mehr, wie Sie die Frage stellen. Eine offene Frage, die ein wenig Smalltalk in Gang setzt, ist eine bessere Eröffnung, als zu fragen, ob man gut hergefunden hat.
Was hat das Ganze mit Marktforschung zu tun? Nun, wir Marktforscher haben nur selten mehr als einige kurze Minuten Zeit, um mit unseren Interviewpartnern ins Gespräch zu kommen. Wir sind Speed Dater! Wir erwarten schnelle Antworten, aber auch durchdachtes Feedback. Wir möchten, dass die Teilnehmer schnell und spontan reagieren, bevor wir die Gründe für diese oder jene Wertung erfragen und zum Nachdenken anregen. Je spontaner die Antwort, desto näher liegt sie bei der Wahrheit.
Die Idee des Speed Dating ist besonders in der qualitativen Marktforschung relevant. Denken Sie an Fokusgruppen: es treffen Menschen aufeinander, die sich nie zuvor begegnet sind. Man trifft sich zum ersten Mal und tauscht Gedanken und Ideen aus. Der Moderator (und natürlich auch die Moderatorin) spielt eine wichtige Rolle. Er muss rüberkommen „wie ein gutes Date“. Er muss ein netter Plauderer sein, vertrauenswürdig erscheinen, wie jemand, dem man sich gerne anvertraut. Und nach dem Gespräch sollte er das Gefühl vermitteln, dass das Gesagte wertgeschätzt wird.
Ob Speed Dating wirklich funktioniert? Bei der Suche nach der Liebe meines Lebens würde ich mich vielleicht nicht gänzlich darauf verlassen. Aber in der Marktforschung ist die Idee bzw. das Konzept schon lange präsent.
Es bringt spontane, emotionale, oft unbewusste Inhalte des System 1 ans Licht. Es spricht aber auch die bewussteren, deduktiven Inhalte des langsameren Systems 2 hervor.
Der Marktforscher muss alle Antworten den jeweiligen Systemen zuordnen können und bei der Analyse berücksichtigen.
Auch für den Speed Dater wäre es nützlich, dies unterscheiden zu können: es könnte sein, dass die Liebe seines Lebens ihm einiges erzählt, was gar nicht so gemeint ist.