Non, Je Ne Regrette Rien

 

Stellen Sie sich vor in einem Marktforschungsinterview wird Ihnen die Frage gestellt: Gibt es etwas, das Sie bereuen? Was würden Sie wohl antworten? Natürlich hängt das vom Thema und vom Kontext des Interviews ab. Dazu später mehr. Zunächst wollen wir aber ganz allgemein über das Thema „Reue“ sprechen.

Wir müssen ständig Entscheidungen treffen und rückblickend stellen sich einige als falsch oder schlecht heraus. Die Art wie wir damit umgehen unterscheidet sich je nach dem Lebensbereich, in dem diese Entscheidungen gefällt wurden. Die stärkste Reaktion, also die stärkste Reue, empfinden wir bei Entscheidungen die sich in unserem sozialen Leben abgespielt haben. Das sind Dinge, die Freunde, Familie oder Lebenspartner betreffen. Diese sogenannte soziale Reue setzt starke Emotionen frei. Wir erinnern Dinge, die wir taten oder auch nicht und die wir gesagt oder verschwiegen haben für lange Zeit und wenn sie nicht gut waren, können sie uns regelrecht quälen. Soziale Reue ist deshalb so schmerzhaft, weil sie eines unserer Grundbedürfnisse, den Wunsch nach Zugehörigkeit, belastet.

Anders in diesem Beispiel: wir bedauern vielleicht, dass wir als Teenager mit dem Klavierspielen aufgehört haben. Oder es tut uns im Nachhinein leid, dass wir auf der Heimfahrt einem anderen Autofahrer den Vogel gezeigt haben, weil er in unseren Augen gebummelt hat. Dies bezeichnet man als temporäre Reue. Manches davon ist schnell vergessen (der Vogel), anderes kann uns noch lange verfolgen (die versäumten Klavierstunden).

Soviel zur sozialen und temporären Reue. Es gibt eine weitere Variante, die in unserem Berufsleben eine Rolle spielt. Das theoretische Fundament hierzu liefert die „Decision Justification Theory“. Wenn es um die Reue über falsche Entscheidungen geht spricht man in der Decision Justification Theory von Regret.

Nehmen wir das Beispiel eines Einkäufers. Er unterliegt der Versuchung den ihm bekannten Lieferanten zu Gunsten eines  Anbieters zu wechseln, der günstigere Preise anbietet. Dieser erweist sich im Nachhinein als unzuverlässig und die Produkte als minderwertig. Der Einkäufer hat also eine schlechte Entscheidung getroffen. Der Regret  hierüber ist jedoch nicht so emotional ausgeprägt, wie das bei der sozialen Reue der Fall ist – schließlich basierte die Entscheidung auf vertretbaren Argumenten; der Preis war günstiger und das Produkt schien gleichwertig zu sein.

Im Lauf der Zeit könnte Premierministerin Theresa May herausfinden, dass die Idee die EU zu verlassen keine gute Idee war. Ein ausgeprägter Regret ist allerdings nicht zu erwarten – sie kann jederzeit das Referendum dafür verantwortlich machen. Sie hebt ja jetzt schon häufig hervor, dass sie „nur“ den Willen des Volkes ausübe.

Der Regret im Entscheidungsprozess ist auch Gegenstand der Marktforschung. Er wird sogar immer wichtiger, denn beim Regret geht es um Emotionen und wir verstehen immer besser, wie sehr Emotionen Entscheidungen beeinflussen. Wenn wir einen Einkäufer interviewen, von dem wir wissen, dass er einen vergangenen Lieferantenwechsel bedauert, können wir ihn sehr viel besser einordnen. Ein solcher Einkäufer wird a) halbwegs offen für eine Rückkehr zu seinem bisherigen Lieferanten sein und/ oder b) zukünftige Lieferantenwechsel mit eine guten Portion Skepsis betrachten.

Studienteilnehmer dazu zu bringen, ehrlich zu sein und zuzugeben, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen haben ist nicht leicht und erfordert einen erfahrenen Interviewer. Als wir am Anfang die Frage gestellt haben, kam Ihnen vielleicht auch Edith Piaf in den Sinn und ihr unvergessenes  Non, je ne regrette rien – Nein, ich bedaure nichts.

In Kundenbefragungen wird es aber wichtig sein, hierauf Antworten zu erhalten. Es könnte interessant und hilfreich sein für Kundensegmentierungen, für effektive Kommunikation und nicht zuletzt die Rückgewinnung verlorengegangener Kunden.

 
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