Kundenzufriedenheit aus dem Handbuch?

 

Erst letzte Woche haben wir über das PR-Desaster um die Teenager in Leggings bei United Airlines geschrieben. Die Tinte war noch nicht ganz trocken als der nächste PR-Vorfall auf der Bildfläche erschien: jeder konnte sehen, wie ein Passagier (Dr. David Dao) von Flugbegleitern gewaltsam und offensichtlich gegen seinen Willen durch den Gang gezogen und aus der überbuchten United Maschine nach draußen befördert wurde. Offensichtlich war das per Los entschieden worden weil kein Passagier sich freiwillig gemeldet hatte.

Diese Episode hat wieder einmal ins Bewusstsein gerufen, dass es gängige Praxis aller Fluggesellschaften ist, ihre Flüge zu überbuchen. Es ist ihnen offensichtlich erlaubt so zu verfahren und uns, den Kunden, wird das mit dem Argument verkauft, es würde das Niveau der Ticket-Preise niedrig halten.

Die Fluggesellschaften tun dies, weil offenbar immer eine gewisse Anzahl von Passagieren den gebuchten Flug nicht nutzen. Diese Plätze stehen für Überbuchungen zur Verfügung. Man findet Statistiken, die besagen, dass nur 0,09% der Passagiere zurückgewiesen werden müssen (ob freiwillig oder nicht). „Freiwilligkeit“ wird meist mit attraktiven Incentives erkauft. Vielflieger haben das alles schon erlebt. Natürlich gibt es ein Problem, wenn sich keiner findet, der auf seinen Platz verzichtet, auch nicht gegen Bares und eine Übernachtung im Luxushotel.

Meine Kollegen in UK nutzen United Airlines regelmäßig, es gibt eine gute Verbindung zwischen Manchester und Newark. Ich weiß aus Anekdoten, dass sie oft verärgert waren über den rüden Umgang mit Passagieren. In letzter Zeit hatten sie aber wohl den Eindruck, dass sich die Dinge verbessert hatten. Offenbar wollte United seinem Slogan „Fly The Friendly Skies“ besser gerecht werden.

Der arme Dr. Dao hat sicher vieles an dem Tag gesehen, Friendly Skies dürfte er nicht  erblickt haben. United’s CEO Oscar Muñoz gab zwei schriftliche Erklärungen nacheinander ab. Im Wesentlichen war sein Standpunkt (oder der seiner Anwälte), dass seine Mitarbeiter exakt die für solche Fälle vorgesehenen Schritte und Abläufe eingehalten hatten, mit anderen Worten, sie hätten alles richtig gemacht.

Schade nur, dass das von chinesischen Staatsbürgern nicht ganz so geteilt wurde. Nachdem Sie das Video gesehen hatten auf dem ihr Landsmann Dr. Dao so rüde geschleift wurde, posteten mehr als 160 Millionen Chinesen auf Weibo wie sie das so fanden und was sie dabei fühlten (nicht unwichtig, United ist der größte US Carrier in China). Das wiederum bekam die Wall Street mit und der Wert von United wurde prompt um $800 Millionen nach unten korrigiert (wenige Tage zuvor hatte die Aktie noch zugelegt, als die Analysten sahen, wie schön überbucht United war).

Es folge die dritte Veröffentlichung von Oscar Muñoz, jetzt mit einer Art Entschuldigung. Ein Autor auf Inc.com schrieb dazu: „It’s not Dao that worries Muñoz. It’s the Dow.“

Was könnte United tun, um ein solches Desaster zu vermeiden? Wir würden dem Unternehmen als Erstes empfehlen, das „Handbuch für den Umgang mit Passagieren“ zu überarbeiten und die Mitarbeiter zu ermächtigen, selbst zu entscheiden wie vorzugehen ist. “Empowerment“ nennt man das auf Englisch. Ein Flugbegleiter verfügt über genug gesunden Menschenverstand um die Situation zu lösen. Ein paar Hundert Dollar hätten die Sache vermutlich bereinigt und kein Mensch hätte darüber geredet. Jetzt kostet es 800 Millionen.

Der Leggings-Fall über den wir bereits berichteten liegt ähnlich: wenn es sich um Teenager handelt, sagen wir 14- oder 15- jährige Mädels – so what – sollen sie doch in Leggings fliegen. Als Chefin einer Airline würde ich mich lieber auf das Gefühl und Urteilsvermögen meines Mitarbeiters vor Ort verlassen, als ihn mittels Handbuch zu einem Erfüllungsgehilfen von in Einzelfällen unangemessenen Maßnahmen zu machen.

Warum wir so darauf herumhacken? Dieses Ergebnis sehen wir sehr häufig in Kundenbefragungen. Wenn Mitarbeiter nicht ermächtigt sind, wenigstens kleinere Entscheidungen zu treffen, hat das in der Regel keinen positiven Einfluss auf das Niveau der Kundenzufriedenheit. Umgekehrt: Mitarbeiter, die vor Ort oder am Telefon eigenständig schnell ein Problem lösen können, weil sie dazu die Befugnis haben, beeindrucken die Kunden und machen sie zufrieden.

Wir sollten nie vergessen, dass Unternehmen aus Menschen bestehen. Und dass Kunden ebenfalls Menschen sind. Und als solche verfügen wir über menschliche Regungen und  reagieren immer auch emotional. Das gilt ganz besonders (aber nicht nur) im Kundendienst. Die Empfehlung lautet deshalb, „Menschliches“ im Umgang mit  Reklamationen, unzufriedenen Kunden und anderen schwierigen Fällen zuzulassen. Dazu müssen die Kollegen, die an dieser Stelle ihren Dienst tun, ermächtigt und ermutigt werden. Dann wird’s schon was mit den Kunden.

Unangemessenes, unmenschliches Verhalten kann hingegen teuer werden (siehe oben).

 
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