Vertrieb durch Distributoren – sinnvoll oder unnötig?

Jedes Unternehmen steht irgendwann vor der gleichen Frage: Vertreiben wir unsere Produkte direkt, oder geben wir die Aufgabe lieber an Distributoren und Händler ab? Beide Alternativen haben ihre Vor-und Nachteile. Der Vertrieb durch Distributoren ist kurzfristig kostenintensiver, denn nicht selten verlangen sie eine Marge von 25% bis 30% des Gesamtgewinns. Distributoren stehen jedoch oft bereits im engen Kundenkontakt, bieten kurze Lieferwege, eine breite Produktauswahl und können flexibel und individuell auf Bedürfnisse eingehen. Distributoren sind in der Lage ihre Öffnungszeiten kurzfristig den Kundenbedürfnissen anzupassen. Sie kümmern sich nicht nur um den Produktvertrieb, sondern bieten darüber hinaus technischen Support und eine persönliche Beratung. Vor allem großen Unternehmen im B2B-Sektor fällt es oft schwer genau diese Flexibilität zu bieten – durch ihre schiere Größe sind sie an Prozesse gebunden, die eine individuelle Kundenbetreuung fast unmöglich machen. Trotzdem ärgern sie sich häufig über die verlorenen Margen und berechnen gerne die Einsparungen, die durch eine direkte Belieferung möglich wären. Zu dieser Debatte passt das aktuelle Chaos des britischen Hypothekenfinanzierers Provident Financial sehr gut. Das Unternehmen, mit Sitz im nordenglischen Yorkshire, bietet Privatkunden Darlehen zur Eigenheimfinanzierung, die bei einer herkömmlichen Bank keine Kreditzusage erhalten würden – ein Geschäftsmodell, das nach der Wirtschaftskrise durchaus Erfolg versprach. Wie das Handelsblatt berichtete, befand sich der Aktienwert des Finanzunternehmens jedoch im freien Fall, nachdem Probleme bei der Rateneintreibung auftraten. Das erfolgreiche und profitable Geschäft basierte bisher auf Agenten, die durch direkte monatliche Kundenbesuche Zinsen und Rückzahlungsraten eintrieben. Natürlich verlangten die Agenten, genau wie Distributoren, eine Provision. Das Management von Provident war der Meinung diese Aufgabe besser und effizienter selbst übernehmen zu können und strukturierte das Unternehmen entsprechend um – ein fataler Fehler! Die Agenten, die nahe bei ihren Kunden ansässig waren, kannten diese genau. Sie hatten ein persönliches Verhältnis zu ihnen und waren dadurch erfolgreich bei der Eintreibung der Schulden. Die für diese Aufgabe jetzt neu ernannten eigenen Mitarbeiter, die man interessanterweise „Customer Experience Manager“ nannte, hatten keinerlei Erfahrung und schafften es nur noch 57% der laufenden Kredite einzutragen. Einen solchen Aktien-Crash hat die englische Börse seit der Polly Peck Affäre in den 90er Jahren nicht gesehen. Provident’s CEO Peter Crook wurde kurzerhand vor die Tür gesetzt. Das sollte für uns alle eine Lehre sein. Der Mehrwert des individuellen Kundenkontakts durch Distributoren ist nicht zu unterschätzen, obwohl sie kurzfristig teurer erscheinen. Sie bieten einen Kundenservice, den die meisten großen Unternehmen in Eigenregie nicht leisten können.

 
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