China Reihe Nr. 1: China und das Problem mit dem Mittelstand

China und das Problem mit dem Mittelstand

Die Wachstumsraten kleiner und mittlerer Unternehmen (im Englischen „small and medium enterprises“ oder SME, im deutschen auch KMU, also „kleine und mittlere Unternehmen“) sagen eine Menge über die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes aus. KMU‘s können Brutstätten für Innovationen im High-Tech Sektor sein. Nirgendwo trifft dies mehr zu als in China. Jack Ma von Alibaba und Lei Jun vom Smartphone Hersteller Xiaomi sind beste Beispiele für eine wachsende Anzahl von Unternehmern in der High-Tech Industrie, die das System „vom Tellerwäscher zum Millionär“ verinnerlicht haben. Darüber hinaus unterstütz die Politik ein schnelles Wachstum kleiner und mittlerer Unternehmen in ganz China und verhilft ihnen durch gezielte Förderung zu mehr Bedeutung. In 2013 steht der Mittelstand in China für 60% des Bruttoinlandsproduktwachstums und für 99,5% aller Unternehmen. Alleine im ersten Halbjahr 2014 wurden landesweit 1,58 Millionen KMU’s neu registriert. Der Mittelstand in China kann nicht ignoriert werden.

Bei B2B Market Research Assessments in China bedarf es also zwingend eines tiefgreifenden Verständnisses für dieses dynamische Segment. Vor allem: wie viele Mittelstandsunternehmen gibt es in China? Die Antwort ist nicht so offensichtlich wie man vermuten möchte. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:

  1. Das Klassifizierungssystem für kleine und mittlere Unternehmen

    Die Definition von „Mittelstand“ ist weltweit sehr unterschiedlich und deckt ein breites Spektrum ab. Internationale Organisationen wie die Weltbank, der IWF und die UN arbeiten mit verschiedenen Klassifizierungssystemen. Auch Staaten klassifizieren unterschiedlich, Grund ist meist die Anpassung an die unterschiedlich hohe Bevölkerungsdichte. Das Problem in China liegt darin, dass auch noch erhebliche Schwankungen zwischen den einzelnen Branchen bestehen. So kann in der Schwerindustrie ein Unternehmen mit 3.000 Mitarbeitern als KMU gewertet werden, dagegen sind im Einzelhandel bereits 300 Mitarbeiter die Obergrenze. Damit nicht genug, in vielen Sektoren gibt es noch Untergruppierungen innerhalb der kleinen und mittleren Betriebe.

    Meist erwarten unsere Kunden aus der westlichen Hemisphäre eine Segmentierung, die ihrer eigenen Definition von kleinen und mittleren Unternehmen entspricht. Wir sprechen in der Regel von Firmen mit bis zu einigen Hundert Mitarbeitern. In den USA zum Beispiel gilt ein Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern als SME.
    Viele der offiziellen Kennzahlen, die uns aus China vorliegen entsprechen aber nicht den westlichen Standards. Listen umfassen oft alle Branchen und enthalten damit pauschal alle Firmen mit bis zu 3.000 Mitarbeitern. Dadurch wird die Einschätzung der Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen in einer bestimmten Branche im Rahmen einer Marktstudie erheblich erschwert.

  2. Die Erfassung

    Die zur Verfügung stehenden Daten über die Anzahl von mittelständischen Unternehmen in China erscheinen mitunter willkürlich gegriffen zu sein. Einige Quellen sprechen von 42,5 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen. Zahlen aus 2008 hingegen behaupten, dass es 4,3 Millionen kleine Betriebe mit weniger als 300 Mitarbeitern gibt. Unklar ist auch, wie die Zahlen erhoben werden. Bei der letztgenannten Zahl soll es sich um „registrierte“ Unternehmen handeln. Vermutlich sind es Unternehmen, die von amtlichen „Censoren“ erfasst wurden. Die Dunkelziffer von Unternehmen, die ohne Anmeldung oder Registrierung operieren, dürfte enorm sein. Insbesondere gilt dies für die schwach entwickelten westlichen Provinzen wie Quinghai, Gansu und Xinjiang.

SME’s in China scheinen ein unübersichtliches und verwirrendes Terrain darzustellen, aber es kann auch bedeutende Investitionsmöglichkeiten bieten. Egal wie die Zahl wirklich lautet – groß ist sie auf jeden Fall. Schon jetzt stellt sie diejenige in den USA in den Schatten. Ein Artikel in der South China Morning Post berichtete im letzten Jahr über das höchste Produktivitätswachstum des chinesischen Mittelstands seit 2012 und über die wachsende staatliche Förderung kleiner Unternehmen. Auch ökonomische Maßnahmen zur Liberalisierung, wie die Einführung der Shanghai Free Trade Zone, eröffnen neue Möglichkeiten für den Mittelstand in China. Ist das der Moment gekommen, diesen wachsenden Markt anzusteuern?

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