Immer wenn man Herrn Schneider, Einkäufer eines mittelständischen Herstellers, fragt, welches Kriterium bei der Auswahl eines Lieferanten für ihn das wichtigste ist, gibt er die gleiche Antwort: „Der Preis; die Angebote sind doch sowieso alle gleich, nur im Preis unterscheiden sie sich.“ Wenn wir uns dann Herrn Schneiders Einkaufsverhalten genauer anschauen, stellen wir fest, dass er seit Jahren seine Lieferanten nicht gewechselt hat. Wir sehen auch, dass seine Stammlieferanten keineswegs immer die preiswertesten sind. Wie ist das zu verstehen?
Wollen uns Befragte und Teilnehmer an Studien absichtlich nicht alles sagen? Oder sind sie sich vielleicht gar nicht dessen bewusst, dass sie uns etwas verschweigen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir verstehen, was Herrn Schneider davon abhalten könnte, uns eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben.
Hierbei sind zwei Faktoren im Spiel:
- sind wir Menschen uns unserer tatsächlichen Beweggründe (meistens) nicht bewusst.
- ist das Gehirn so „konstruiert“, dass es uns das Leben erleichtern soll und uns deshalb signalisiert: Entscheide nach Bauchgefühl!
Wir nennen dieses Phänomen Heuristik oder auch „Bias“.
Eine für uns wichtige Frage ist es, ob diese Wirkzusammenhänge auch in B2B Märkten eine Rolle spielen, oder ob nur der private Shopper davon betroffen ist.
Die traditionelle Sicht auf B2B Entscheidungen besagt, dass B2B Entscheider rationaler vorgehen und ihre Entscheidungen stets zum Nutzen Ihres Unternehmens treffen.
Wirklich? Einige Beobachtungen, die zum Nachdenken anregen:
- B2B Entscheider empfinden mehr Unsicherheit und suchen stärker nach einer Bestätigung und Rückversicherung während des gesamten Einkaufsprozesses
- Die Mehrheit der Einkäufer kauft von einem oder mehreren Ihrer 3 Top-of-Mind Lieferanten, selbst dann, wenn sich Ihnen die Möglichkeit bietet, neue Lieferanten zu testen
- „Weiche Faktoren“, wie z. Bsp. zwischenmenschliche Beziehungen, sind die stärksten Treiber für Kundenzufriedenheit
Wir glauben, dass B2B Einkäufer sogar weitaus mehr emotional beeinflusst sind als B2C Shopper; weil stets viel auf dem Spiel steht und eine falsche Entscheidung weitaus weitreichendere Folgen haben kann.
Nachstehend beschreiben wir einige kognitive Verzerrungen („cognitive biases“), die dann entstehen, wenn Emotionen bei der Einkaufsentscheidung ins Spiel kommen, sowie die Implikationen daraus:
Was löst die Verzerrung aus?
|
Wie wirkt es sich aus?
|
Ein Beispiel aus der Praxis
|
Was bedeutet das für Marketers
|
---|---|---|---|
Verlustangst und der Wunsch bei dem zu bleiben was man kennt.
= Verlustaversion oder loss aversion |
In der Neigung, den aktuellen Lieferanten zu bevorzugen – das Risiko einer Verschlechterung scheint größer als der mögliche Gewinn (bei einem Wechsel)
|
Die Wechselquote bei Kfz-Versicherungen ist traditionell gering – selbst dann, wenn die automatische Verlängerung der Police bedeutet, dass auf signifikant bessere Konditionen verzichtet wird
|
Die Botschaft muss einen starke Zugkraft entwickeln (pull effect), gleichzeitig muss kommuniziert werden, wie ein Wechsel operational leicht zu handeln ist
|
Ein starker Glaube an die eigene Erfahrung und die Angst vor dem Unbekannten.
= Besitztums Effekt oder endowment effect |
Menschen sind bereit, für ein Produkt, das sie kennen, mehr zu bezahlen als für ein ihnen unbekanntes Produkt. Der Wert eines Gutes wird höher eingeschätzt, wenn man es besitzt
|
Amazon bietet seinen Kunden eine kostenlose Probezeit für „Prime“. Sind die Teilnehmer einmal angeworben, geben Sie doppelt so viel aus wie normale Kunden
|
Kostenlose Tests oder Probezeiten stimulieren die Wechselbereitschaft. Und Mitgliedschaft (in einem Club, einer Community o. ä.) kann die Kaufbereitschaft stark beeinflussen.
|
Dinge in einen Zusammenhang zu stellen, den man kennt und versteht
= Framing Effekt |
Der Kontext, in den eine Information gestellt wird, beeinflusst die Art, wie sie wahrgenommen wird.
|
Natürlich würden Hersteller von Reinigungsmitteln niemals hervorheben, dass nur 1% aller Bakterien nicht abgetötet werden; die Botschaft laute stets: „99% aller Bakterien werden abgetötet“
|
Seien Sie mutig und positiv bei der Formulierung von Botschaften. Große Zahlen beeindrucken (fast) immer
|
Lassen Sie sich also nicht von der unmittelbaren Antwort eines Befragten täuschen; besonders dann nicht, wenn es um Preise geht.
Die Wahrheit liegt woanders – nämlich in den Emotionen, von denen auch B2B Entscheider beeinflusst sind. Auch wenn diese das sicher auf Heftigste verneinen werden.