Hatten Sie geschäftlich schon häufiger mit Personen anderer Kulturkreise zu tun? Lief bei ihren Gesprächen und Abmachungen immer alles rund? Bestimmt nicht immer! Auch im Zeitalter der scheinbar komplett internationalen Vernetzung spielen kulturelle Unterschiede eine größere Rolle als viele vermuten. Unser Verständnis von Machtdistanzen, sozialen Netzwerkstrukturen und unser Wunsch nach Selbstverwirklichung beeinflussen internationale Geschäftsbeziehungen nach wie vor erheblich. Um etwaige Missverständnisse und Probleme zu umgehen, sollten wir deswegen lernen, diese Unterschiede besser zu verstehen.
Landeskultur: Eine unabhängige Variable
Eine der bekanntesten Forschungsarbeiten zur Klassifizierung internationaler Kulturmerkmale stammt von dem niederländischen Sozialpsychologen und früheren IBM Mitarbeiter Geert Hofstede. Hofstede unternahm 1980 als einer der allerersten Sozialforscher den Versuch, Variablen zur besseren Beschreibung und Erörterung von Landeskulturen aufzustellen. In seiner Arbeit definiert Hofstede eine Landeskultur als „die kollektive Programmierung der Denkweise, die Mitglieder einer Gruppe von einer anderen unterscheidet“. Diese „Programmierung“ beeinflusst die Denkweise und die Werte, denen sich ein Individuum in allen Aspekten seines Lebens verpflichtet fühlt, einschließlich der geschäftlichen Entscheidungen, die es trifft.
Das Ergebnis von Hofstedes Ansatz war den Versuch nicht greifbare kulturelle Aspekte in konkrete und messbare Variablen umzusetzen und führte zu seinem bekannten Modell der Kulturdimensionen. Die nachstehende Tabelle gibt eine kurze Erläuterung der vier ursprünglichen kulturellen Dimensionen, die die wesentliche Grundlagen seiner Forschungsarbeit darstellen.
Im folgenden Artikel widmen wir uns den zwei Dimensionen, die laut meiner Erfahrung den wichtigsten Stellenwert innerhalb interkultureller Geschäftsbeziehungen einnehmen: dem Verhältnis des Kollektivismus und Individualismus und der Machtdistanz.
Individualismus / Kollektivismus
Richten wir unseren Blick zunächst auf die „Individualismus / Kollektivismus“-Dimension. Wie stark sich ein Geschäftspartner zu einer Gruppe zugehörig fühlt und / die Interessen der Gruppe vertritt – oder umgekehrt die persönlichen Interessen in den Vordergrund stellt – spielt eine entscheide Rolle in Geschäftsbeziehungen. Personen aus eher individualistisch geprägten Kulturen (z.B. USA, Großbritannien, Deutschland) sind eher selbstzentriert und sehen die eigene Selbstverwirklichung als übergeordnetes Lebensziel an. Kinder in individualistisch geprägten Kulturkreisen lernen häufig in der Ich-Form zu denken – eine Einstellung, die sich ins Erwachsenenalter überträgt. Im Gegensatz dazu stehen Individuen aus kollektivistisch geprägten Kulturkreisen (z.B. Japan, Indien). In kollektivistisch Gesellschaften gibt es eine breitere Interdependenz zwischen Personen und Personengruppen und die Mitglieder beziehen sich eher auf das „Wir“ und ein größeres soziales Umfeld im Sinne einer richtig großen Familie oder kulturellen Gruppe.
Höhere Eintrittsbarrieren in kollektivistischen Gesellschaften
Doch wie wirkt sich diese Prägung auf Geschäftsbeziehungen aus? Untersuchungen haben ergeben, Firmen in besonders individualistischen Gesellschaften wie zum Beispiel in USA, Großbritannien und Deutschland eher Geschäftsbeziehungen mit unbekannten Geschäftspartnern eingehen und ihnen schneller vertrauen. In kollektivistischen Gesellschaften führt die stark ausgeprägte Gruppenzugehörigkeit im Geschäftsleben dazu, dass externe Aufträge häufiger an bereits bekannte Geschäftspartner vergeben werden, die vorzugweise zum geschäftlich / sozialen Umfeld gehören. Westliche Unternehmen empfinden es deshalb oft nicht leicht, eine Geschäftsbeziehung mit Firmen, die in kollektivistischen Gesellschaften ansässig sind, aufzunehmen. Doch obwohl sich Kollektivisten, laut Hofstede, eher als ablehnend zeigen und externen Vertretern weniger Vertrauen entgegenbringen, entwickelt sich im Laufe der Zeit daraus durchaus eine dauerhafte Beziehung, die sich in solchen Gesellschaftsformen dann als sehr viel stärker und langlebiger herausstellt. In der Tat hat auch unsere eigene Erfahrung bei der Durchführung von Untersuchungen im Rahmen der Marktforschung in Japan (einer eher kollektivistischen Gesellschaft) vor kurzem erneut bestätigt, dass auch B2B-Entscheidungsträger in Japan viel mehr Wert auf langfristige Geschäftsbeziehungen legen als Entscheider in den westlichen Industrienationen.
Machtdistanz
Die Machtdistanz ist die zweite Dimension, die einen außerordentlich starken Einfluss auf Geschäftsbeziehungen hat. Sie beschreibt das Ausmaß der Akzeptanz von Machtverteilung, die Normalität und Verbreitung ausgeprägter Hierarchien und die Distanz der oberen zu den unteren Hierarchieebenen. Mitglieder eines Kulturkreises mit hoher Machtdistanz (z.B. Malaysia, China), sind eher dazu bereit sich dominanteren Individuen unterzuordnen und sich hierarchischen Strukturen anzupassen. In Gesellschaften mit niedriger Machtdistanz (z.B. USA, Großbritannien) hingegen ist der Einzelne darum bemüht die Macht gleichmäßiger zu verteilen. Dies zeigt sich auch deutlich im karitativen Verhalten, das bei Gesellschaften mit hoher Machtdistanz wenig ausgeprägt ist, hingegen in Gesellschaften mit niedrigem Machtdistanz ganz selbstverständlich dazugehört. Die Erklärung hierfür liegt in der Akzeptanz von Ungleichheit innerhalb des Kulturkreises. Findet eine Person es normal, dass Ungleichheiten in einer Gesellschaft bestehen, schert sie sich weniger darum diese auszugleichen. Die Auswirkung der Machtdistanz auf Geschäftsbeziehungen können tiefgreifend sein. Treffen Vertreter beider Kulturkreise geschäftlich aufeinander, können durch die Unterschiede der Machtdistanzen schnell Missverständnisse entstehen. Individuen, die an eine hohe Machtdistanz gewöhnt sind, könnten das Verhalten von Gesprächspartnern aus Kulturen niedrigerer Machtdistanz schnell als unhöflich auffassen. Andersherum könnte ihre Unterwürfigkeit oder Dominanz (je nachdem, welcher Hierarchieebene sie angehören) für Personen Regionen mit niedriger Machtdistanz befremdlich erscheinen.
Ein anderes Beispiel der Auswirkungen der Machtdistanz innerhalb von B2B-Geschäftsbeziehungen sind die Erwartungen an den Kundeservice in einer Käufer-Lieferanten-Beziehung. Legt ein Käufer eine hohen Wert auf den Erhalt der Machtdistanz, so kann schnell passieren, dass er dem Lieferanten aus einer Kultur mit niedriger Machtdistanz schnell zu fordernd und dominant vorkommt, während er versucht seinen Machtstatus zu erhalten – eine Situation, die auf beiden Seiten leicht zu Unzufriedenheiten und Missverständnissen führen kann.
Guanxi-Netzwerke in China
Interessant wird es, wenn wir einen Blick auf das Zusammenspiel der beiden Dimensionen werfen. In China, einer sowohl kollektivistischen Gesellschaft, als auch einer Kultur mit einem hohen Maß an Machtdistanz, hat diese gesellschaftliche Einstellung sogar einen besonderen Namen: Guanxi (chinesisch 關係 / 关系, Pinyin: guānx).
Guanxi (übersetzt: Verbindung oder Beziehung) steht für eine besondere Gruppenzugehörigkeit in der chinesischen Gesellschaft, die in dieser Weise in keinem anderen Land zu beobachten ist. Jede Person sieht sich laut Guanxi einem sozialen Netzwerk zugehörig. Innerhalb dieses Netzwerkes sind gegenseitige Gefälligkeiten gang und gäbe und es besteht eine Art „eine Hand wäscht die andere“-Mentalität. Gehört eine Person zum Guanxi-Netzwerk, genießt sie das vollkommene Vertrauen der anderen Gruppenmitglieder und auch auf ihr Urteilsvermögen gegenüber Personen außerhalb des Netzwerkes wird sich vollkommen verlassen. Guanxi-Netzwerke spielen, wie Sie wahrscheinlich schon vermuten, nicht nur im privaten, sondern auch im geschäftlichen Umfeld eine große Rolle. Auch im Geschäftsleben vertrauen Chinesen stark auf die Personen, die zu ihrem Guanxi-Netzwerk gehören und gegenseitige Gefallen und geschäftliche Entscheidungen zu Gunsten des Netzwerkes sind nicht außergewöhnlich. Mitglieder innerhalb des Guanxi-Netzwerks können als Eingeweihte über Informationen verfügen, die andere nicht haben, wie z. B. bevorstehende strategische Veränderungen oder Details über Regierungsaufträge und sich dadurch einen Vorteil bei der Vergabe von Aufträgen verschaffen. Für einen Außenstehenden, insbesondere aus westlichen Ländern, mag diese Praxis ungewöhnlich erscheinen und schnell als Insider-Geschäft oder gar Korruption aufgefasst werden. An dieser Stelle könnte man natürlich argumentieren, dass diese Kritik der Tatsache geschuldet ist, dass Individuen aus westlichen Gesellschaften die Welt durch ihre Brille bzw. ihre kulturellen Normen und Verhaltensformen sehen und dabei versäumen die Unterschiede zwischen der eigenen und der chinesischen Kultur zu berücksichtigen. Doch die grundlegende Tatsache bleibt bestehen; Guanxi-Netzwerke sind ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Kultur und nur, wer sie lernt zu akzeptieren, wird in China wirtschaftlich erfolgreich sein.
Vorbehalte führen zu Problemen
Obwohl ich hier nur an der Oberfläche von kultureller Unterschiede und den Auswirkungen auf Geschäftsbeziehungen gekratzt habe, möchte ich Ihnen doch einen wesentlichen Ratschlag mit auf den Weg geben; versuchen Sie beim nächsten Meeting mit Vertretern anderer Kulturkreise etwaige Vorgehalte abzubauen. Nur mit gegenseitigem Verständnis und einer positiven Einstellung lassen sich langfristig profitable Beziehungen schaffen.
Quellen:
- Buttery, E. A. & Leung, T. K. P., 1998. The difference between Chinese and Western negotiations. European Journal of Marketing, 32(3/4).
- Hofstede, G., 1980. Culture’s Consequences. s.l.: Sage Publications.
- Huff, L. & Kelley, L., 2005. Is collectivism a liability? The impact of culture on organizational trust and customer orientation: a seven-nation study. Journal of Business Research, 58(1).