In seinem Buch Predictability Irrational vertritt der Verhaltensforscher Dan Ariely seine Idee, dass wir alle in zwei Welten leben; eine die von sozialen Normen gelenkt wird und eine andere die den Regeln der Marktwirtschaft folgt. Soziale Normen betreffen unsere Gewissheiten und Verhaltensformen unseren Freunden gegenüber und verlangen nicht nach direkter Gegenleistung. Wir bieten einem Freund eine Mitfahrgelegenheit an und erwarten dafür keine Bezahlung, haben aber die Gewissheit, dass er uns den gleichen Gefallen erweist, sollte man ihn benötigen. Die Normen des Marktes sind hingegen immer wechselseitig und für jede Handlung wird umgehend eine Vergütung erwartet. In diesem Fall erfolgt unsere Fahrt mit einem Taxi und wir wissen, dass im Gegenzug der Fahrer uns nicht irgendwann um den Gefallen einer Mitfahrgelegenheit bittet, sondern auf der Stelle eine Bezahlung für seinen Dienst einfordert.
In einem Experiment, das den Unterschied zwischen sozialen und marktorientierten Normen demonstrieren sollte, stellte Ariely eine am Computer durchgeführte Aufgabe, bei der die Teilnehmer gebeten wurden in einem vorgegebenen Zeitrahmen so viele Ringe wie möglich in ein Feld zu verschieben. Die Teilnehmer teilte er zuvor in 3 Gruppen ein:
- Gruppe 1 winkten 5$ Belohnung
- Gruppe 2 sollten 50 Cent erhalten
- Gruppe 3 bat er lediglich um einen Gefallen
Es überrascht nicht, dass die Einsatzbereitschaft mit der zu erwartenden Bezahlung stieg – Gruppe 1 besiegte die Gruppe 2. Was Ariely aber als besonders bemerkenswert betrachtet ist, dass das Ergebnis der Gruppe 3, die nur aus unbezahlten Helfern bestand, die beiden anderen Gruppen übertraf. Diese Gruppe wurde allein durch die Bereitschaft zu helfen motiviert und erfüllte damit soziale Normen.
Natürlich bestreitet niemand, dass Geld ein starker Motivator sein kann. Die Erkenntnis, dass soziale Normen jedoch einen stärkeren Einfluss auf die Motivation und Produktivität haben können als eine finanzielle Vergütung, überraschte Ariely.
Der Sozialwissenschaftler Dan Pink beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, welche Motivatoren den stärksten Einfluss auf die Produktivität haben. In seinem TED Talk The Puzzle of Motivation stellt Pink ein Experiment des Psychologen Sam Glucksberg vor, indem er Teilnehmern die Aufgabe gab, eine Kerze mit Hilfe von Reißzwecken und einer Pappschachtel so an der Wand zu befestigen, dass kein Wachs auf den darunter stehenden Tisch tropfte. Die Reißzwecken wurden den Teilnehmern in der Pappschachtel gereicht. Die ideale Lösung der Aufgabe bestand darin, die Schachtel zu leeren, sie dann mit den Reißzwecken an der Wand zu befestigen und damit eine Halterung für die Kerze zu herzustellen.
Glucksberg teilte bei seinem Versuch die Teilnehmer in 2 Gruppen ein:
- Gruppe 1 wurde in Aussicht gestellt, eine Vergütung zu erhalten, falls sie es schafften 25% schneller als Gruppe 2 zu sein
- Gruppe 2 wurde keine Vergütung in Aussicht gestellt
Gruppe 1 war bei der Erfüllung der Aufgabe 3 Minuten langsamer als Gruppe 2, ein weiteres Experiment, dessen Ergebnis die These unterstützt, dass finanzielle Anreize häufig doch eine kleinere Rolle spielen als angenommen.
Interessanterweise wurde ein gegenteiliges Ergebnis festgestellt, als einer neuen Gruppe von Teilnehmern die Reißzwecken separat außerhalb der Schachtel präsentiert wurden und damit die Lösung der Aufgabe offensichtlicher wurde.
Die Versuchsergebnisse brachten Pink zu der Vermutung, dass Geld eine Motivation zur Erfüllung von Aufgaben darstellt, die einfacher zu lösen sind. Ist die Aufgabenstellung komplexer und verlangt nach einer kreativeren Problemlösung würden sich Menschen, laut Pink, eher durch den Wunsch nach sozialer Anerkennung motivieren lassen.
Diese Erkenntnis ist für unsere heutige Arbeitswelt höchst relevant. In der Vergangenheit übte die Mehrzahl der arbeitenden Bevölkerung manuelle Tätigkeiten aus, die meist rein finanziell vergütet wurden. Fabrikarbeiter leisteten ihre täglichen Arbeitsstunden und erhielten am Ende des Monats ihre Lohntüte. Die heutige Arbeitswelt ist damit kaum noch zu vergleichen. Zum einen hat sich die Art der Arbeit für den Großteil der industriellen Gesellschaft gewandelt. Statt eintöniger Fließbandarbeit besteht der Alltag heutiger Arbeitnehmer darin eigenständig kreative Problemlösungen zu erarbeiten. Zum anderen sind die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben dank Smartphone, Laptop und Co. längst nicht mehr so klar gesetzt. Eine rein finanzielle Vergütung reicht deswegen für Viele als Motivator nicht mehr aus.
B2B International hat in den Vergangenen 20 Jahren eine Vielzahl von Mitarbeiterstudien durchgeführt. Wie unsere Studien immer wieder hervorbrachten, fühlen sich unzufriedene Mitarbeiter nicht nur weniger motiviert als zufriedene Mitarbeiter, sondern sie betonen auch, dass es ihnen bei ihrem Job in erster Linie um das Geldverdienen geht. Unternehmen, die es versäumen ihren Mitarbeitern regelmäßige Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen, verfügen oft nur über Personal, das sich einzig und allein über die Bezahlung definiert und seine Produktivität nur an dem vermeintlichen Wert des eigenen Gehaltes ausrichtet.
Die Produktivität eines Unternehmens steht und fällt mit der Einsatzbereitschaft seiner Mitarbeiter, die bereit sind nicht nur das Nötigste zu erledigen, sondern sich mit ihrer Aufgabe identifizieren und in ihr einen gesellschaftlichen Mehrwert sehen. Polizisten riskieren nicht ihr Leben, weil sie dafür am Ende des Monats ihr Gehalt empfangen. Die wirklich treibende Kraft ist die soziale Anerkennung, die in ihrem Fall den Schutz der Mitbürger bedeutet.
Wenn Sie also das nächste Mal ein einer Mitarbeiterbesprechung sitzen oder Ihren Kollegen eine Rückmeldung geben, denken Sie daran: ein Lob motiviert oft mehr als jegliche Bezahlung.