Eine immer größere Bandbreite von Medien überschwemmt mehr denn je Konsumenten und B2B-Unternehmen mit Werbung. Diese verliert jedoch zunehmend an Wirkung. Unsere Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft für die Werbebotschaften nutzt sich ab. Wir werden mit der Zeit immer unempfänglicher für traditionelle Werbemethoden. Marketers stehen deshalb vor der Herausforderung sich angesichts des täglichen Gewirrs von Farb- und Geräuschüberflutung mit ihrer Kampagne noch signifikant bemerkbar zu machen.
Eine der jüngeren Strategien ist der Einsatz von sensorischem Marketing (Sensory Marketing, auch Sensory Branding oder sensorisches Marketing). Dabei sollen alle Sinne angesprochen und angeregt werden. Sensory Marketing zielt darauf ab über die Sinne die Wahrnehmung von Marken, Einstellungen zu Produkten und das Verhalten der Konsumenten zu beeinflussen. Die zu Grunde liegende Theorie ist die sogenannte „embodied cognition“. Die These besagt, dass – ohne eine gleichzeitige bewusste Wahrnehmung – unser körperliches Empfinden mitbestimmt, welche Entscheidungen wir treffen. Das Bewusstsein benötigt sozusagen einen Körper, um wirken zu können.
Ein kürzlich in der Havard Business Review erschienener Artikel beleuchtet die Forschung auf diesem Gebiet und liefert Beispiele von Sensory Marketing, die auf den ersten Blick nicht immer neu und nicht immer wie eine Kampagne aussehen.
Sight – Das Sehen
Traditionell setzt Marketing auf das Visuelle. Ein großer Teil der Informationen, die Menschen aufnehmen, wird über das Sehen rezipiert. Visuelle Kampagnen sind geeignet, das Markenimage zu vermitteln, sowie Markenwahrnehmung und –erinnerung zu verstärken. Das funktioniert im Wesentlichen über Farben und Logos. Jeder kennt ein paar Ikonen, von denen man nur einen kleinen Teil des Logos sehen muss und schon weiß man, um welche Marke es sich handelt (Coca-Cola, Nike, google u. v. a. m.)
Sound – Das Hören
Geräusche, Töne und am ehesten Musik wirken auf Stimmung und Verhalten, was wiederum Kaufentscheidungen beeinflussen kann. Das ist keine neue Idee: Marken setzen seit Jahrzehnten auf akustische Signale, um die Wiedererkennung zu verstärken oder andere (unbewusste) Botschaften zu vermitteln. Denken Sie an das Telekom-Jingle. Wer hat es nicht im Ohr? Oder an die Tatsache, dass ein Staubsauger eine gewisse Anzahl Dezibel haben muss, sonst traut man ihm die Saugleistung nicht zu. Auch die „Berieselung“ in Supermärkten, Hotels oder Wartezimmern gehört in diese Kategorie (auch wenn hier vielleicht nicht immer von gelungenen Beispielen die Rede ist).
Touch – Das Fühlen
Das Berühren eines Produkts stellt eine unmittelbare physische und psychische Verbindung zwischen Produkt und Konsument oder Anwender her. Es kann sehr starke Emotionen hervorrufen. Auch über die haptische Beschaffenheit von Produkten oder Verpackungen werden Markenwahrnehmung, Einstellungen zu Produkten und das Verhalten der Konsumenten beeinflusst. Denken Sie bei dem Stichwort Kartoffelchips nicht auch an die großen, dicken Tüten, die sich so schön anfühlen? Für einen Dienstleister ist dies sicherlich eine größere Herausforderung, als für Unternehmen mit „greifbaren“ Produkten. Aber auch hier wird „berührt“, denken Sie an Geldautomaten, an Counter oder an das Sofa in der Empfangshalle.
Smell – Das Riechen
Das Duftmarketing ist der jüngste der hier vorgestellten Sensory-Marketing-Trends. Mit Düften zielt man auf den Geruchssinn von Konsumenten ab. Ein Duft kann ebenfalls sehr starke Emotionen auslösen, oftmals werden tief verborgene, alte Erinnerungen wachgerufen. In Bäckereien war schon vor Generationen das Ofenrohr so verlegt, dass es auf dem Bürgersteig nach Brötchen roch. Der Duft muss aber nicht immer bewusst wahrgenommen werden. Auch der unterschwellige Einsatz von Düften, z. B. in Verkaufsräumen, hat eine Wirkung. Unternehmen können sich ihren eigenen Duft (Corporate Smell oder Air Design) entwickeln lassen. Beispiele dafür sind der Frankfurter Flughafen, Singapore Airlines und zahlreiche Hotelketten. Ein Unternehmen, das es mit dem Corporate Smell deutlich zu weit getrieben hat ist Abercombie & Fitch. Dort wird schon mal ein bestimmtes Parfüm in die Lüftungsanlage geblasen oder auf dem Bürgersteig versprüht. Nicht alle Passanten und Anwohner finden diese Marketing-Taktik gut, wie wir in Deutschland erfahren haben.
Taste – Das Schmecken
Diese Taktik wird (aus offensichtlichen Gründen) überwiegend von der Lebensmittel- und Getränkeindustrie genutzt, wo die Probieraktionen im Verbrauchermarkt oder das Verteilen von Proben gängige Praxis sind.
Five Senses – Fünf Sinne
Zwei bekannte Beispiele für Marken, die erfolgreich alle Sinne ihrer Kunden ansprechen sind Apple und Starbucks. Ebenso nutzen viele der sogenannten Concept Stores diese Mechanismen.
Hat Sensory Marketing einen Stellenwert im B2B Marketing?
Ohne Frage sollte Sensory Marketing auch einen Platz im business-to-business haben. Sich mit potentiellen Kunden über alle Sinne zu verbinden, kann ein Gefühl von Vertrauen aufbauen und die Beziehung zwischen Kunde und Lieferant stärken.
Der Sehsinn wird im b-2-b sowieso schon bedient – aber vielleicht nicht immer mit ausreichender Beachtung. Die Wichtigkeit von Farbe und Logo sowie Konsistenz in der Nutzung sind hier genauso wichtig wie im b-2-c Marketing.
Bei Gehörsinn denke ich im b-2-b weniger an Musik. Stattdessen können Hersteller nicht nur die Leistung Ihrer Maschinen und Geräte optimieren, sondern auch deren Geräusche. Büroangestellte freuen sich über „angenehme“ Geräusche des Druckers, Bediener von Maschinen nicht weniger.
Der Tastsinn kann ebenfalls bei der Bedienung von Maschinen angesprochen werden. Aber auch im Rahmen der Gestaltung von Geschäftsräumen (Sitzmöbel, Türen etc.).
Und schließlich: auch wenn Sie kein Hersteller von Lebensmitteln sind freuen sich ihre Geschäftspartner über die ausgezeichnete Qualität Ihres Kaffees und der angebotenen Kekse, die ihren Geschmackssinn verzaubern.
Wenn alle fünf Sinne angesprochen werden, werden Ihre Kunden eine unvergleichliche Customer Experience durchlaufen, die zusätzlich zu Ihren Produkten und Services das Tüpfelchen auf dem i sein kann.
Ein Gedanke zum Schluss: haben die fünf Sinne eine Bedeutung bei der Durchführung von B2B-Marktforschungsstudien?
Eine von der Zhongshan University durchgeführte Studie belegt, dass die Umgebungstemperatur unsere Emotionen und Standpunkte, ja sogar die Art und Weise wie wir mit anderen interagieren, beeinflusst. Man sollte daran denken, wenn man Räume für Gruppendiskussionen oder Einzelinterviews vorbereitet.
Eine weitere Studie von Lawrence Williams von der University of Colorado in Boulder und John Bargh von Yale belegt, dass Personen, die kurz ein warmes Getränk in der Hand gehalten haben, einen Fremden eher als freundlich empfinden und offener für Diskussionen sind. Ich denke, diese Art der „Beeinflussung“ ist gerade noch für Marktforscher erlaubt. Last but not least sollte gerade in telefonischen Interviews, bei denen kein Blickkontakt möglich ist, auf eine angenehme Stimme des Interviewers geachtet werden.
In einer Welt voll “platter“, oft marktschreierischer Marketing-Kampagnen kann das wesentlich subtilere Sensory Marketing der Schlüssel für B2B-Unternehmen sein, die sich differenzieren und einen nachhaltigen Eindruck bei Ihren Kunden hinterlassen möchten. Kurz: der Schlüssel zu noch mehr Kundenzufriedenheit.
Zielen Sie auf die fünf Sinne ab – könnte Sinn ergeben, oder?