Sie sehen zufrieden aus. Sind Sie zufrieden?

 

Viele B2B-Marktforschungsstudien beinhalten Fragen zur Zufriedenheit. Das Messen der Zufriedenheit von Kunden mit dem Lieferanten im Allgemeinen und mit dem Produkt oder der Dienstleistung im Besonderen hilft Unternehmen ihr Angebot zu optimieren und an den Wünschen der Kunden auszurichten. Wir verlassen uns dabei auf verbale Äußerungen (Erklärungen) und die Nennung eines Wertes auf einer Skala. Die Zufriedenheit wird üblicherweise auf einer 10er Skala abgefragt: „Wie zufrieden sind Sie mit dem Unternehmen X auf einer Skala von 1 bis 10?“ Wobei die 1 „sehr unzufrieden“ und die 10 „sehr zufrieden“ bedeutet. Diese  Art von Fragen werden seit mehr als 30 Jahren gestellt und gut geführte Institute, die auf B2B Marktforschung spezialisiert sind, sollten im Lauf der Zeit eine ansehnliche Benchmark-Datenbank erstellt haben.

Eine weitere Methode ist ebenfalls nicht neu: „Facial Coding“ (genauer: Facial Action Coding System, FACS) ist ein unter Psychologen weltweit verbreitetes Kodierungsverfahren zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken (und der Emotion, die mit diesem Ausdruck verbunden ist).

Nun gib es offenbar Wissenschaftler, die glauben, jedermann sei sozusagen ein Naturtalent in der Entschlüsselung menschlicher Mimik. In einem Artikel lasen wir von folgendem Experiment:

Probanden wurden Fotos von Menschen vorgelegt von denen jedes eine bestimmte Emotion ausdrückte. Daneben wurde eine Liste menschlicher Emotionen präsentiert:  zufrieden, unzufrieden, frustriert, glücklich usw. Die Probanden sollten jedem Foto eine entsprechende Emotion zuordnen. 85% der Teilnehmer wählten eine der „richtigen“ Optionen. Warum also nicht einfach Fotos vorlegen anstatt Skalenfragen zu stellen?

Ganz so einfach ist es leider nicht. Legt man die Fotos ohne eine Begriffsliste vor, so finden lediglich 50% der Probanden den richtigen Ausdruck für die jeweils dargestellte Emotion. Es  wird offenbar mehr oder weniger hinein interpretiert, wenn keinerlei Hilfestellung zur Verfügung steht.

Verwunderlich ist es nicht, denn ein Facial Coder durchläuft eine lange Ausbildungs- und Trainingsphase, bevor er in der Lage ist aus Bewegungseinheiten (Action Units) der mimischen Muskulatur eine Emotion zuverlässig entschlüsseln zu können.

Wir warnen also davor, Skalenfragen durch „Fotoalben“ zu ersetzen. Natürlich liegt ein Reiz darin, verleitet doch jede Skalenfrage den Interviewpartner dazu seine Antwort zu rationalisieren. Und natürlich müssen wir jenseits der rationalen Bewertung herausfinden, wie sich der Kunde mit dem jeweiligen Lieferanten fühlt. Aber das muss über einen guten Fragebogen und mit der richtigen Fragetechnik geschehen. Oder wir bringen einen Facial Coder mit ins Interview, der die Mimik des Probanden beobachtet, wenn er „9“ antwortet.

Sie haben Interesse an diesem Thema? Hier einige Buchempfehlungen:

  • Lisa Feldman Barrett (2017) How Emotions Are Made: The Secret Life of the Brain, , Houghton Mifflin Harcourt, New York
  • Dan Hill (2009) EMOTIONOMICS: Erfolg hat, wer Gefühle weckt, Redline Verlag (im Original bei Kogan Page: EMOTIONOMICS: Leveraging Emotions for Business Success by Dan Hill)
 
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