Was ist eine business-to-business Community?
Marktforscher werden mitunter dafür kritisiert zu lange Fragebögen zu schreiben, deren Beantwortung viel Zeit und viel Geld kostet.
Stellen Sie sich als Gegenentwurf dazu vor, Ihr Unternehmen könnte bei einer „vagabundierenden“ Frage schnell und unmittelbar die relevante Zielgruppe – Kunden oder potentielle Kunden – ansprechen und relevantes Feedback zu diesen Fragen erhalten. Genau darin liegt der Reiz von Online Communities.
Eine Online Community ist eine organisierte Gruppe von Menschen, die im Internet miteinander kommunizieren und im virtuellen Raum interagieren. Das Verbindende können gemeinsame Themen sein, es gibt Voting- oder Ranking-Communities oder auch Entwickler-Communities. Das Internet und Social Media Technologien sind die Plattform, die Menschen mit gleichen Interessen über große Entfernungen und Zeitzonen zusammenfinden lässt.
Die Community ist sozusagen eine große „Gruppe von unsichtbaren Freunden und Bekannten“ mit einem gemeinsamen Interesse. Natürlich ist das für einen Marktforscher ein wahres Geschenk: wir treffen auf eine „handverlesene“ und kompetente Gruppe, die bereit ist Feedback zu einem bestimmten Thema zu geben. B2C Marktforscher nutzen schon lange Online-Communities. In den USA sagt die Hälfte der Marktforscher laut Greenbook , dass sie Communities im Rahmen von Befragungen nutzen. Auch in Deutschland gehört das Instrument schon zum Marktforschungsalltag in der Konsumentenmarktforschung. Viele Marken organisieren und pflegen ihre eigene Community (z. B. „Stars Insight“ von Daimler und TNS).
Der Einsatz für b2b-Befragungen erscheint reizvoll, auch wenn es sich das Vorhaben im b2b-Umfeld schwieriger gestaltet. Mit diesem White Paper wollen wir den möglichen Einsatz von Communities in der B2B-Marktforschung genauer beleuchten. Wie werden sie organisiert und welchen Nutzen können die Marktforschung und der Sponsor daraus ziehen? Unser Fokus liegt auf großen Gruppen von Personen, die zur Teilnahme an Diskussionen über einen Zeitraum von mehreren Monaten bereit sind. Der Begriff wird gelegentlich auch für Online-Gruppendiskussionen benutzt, die für eine Einmalbefragung rekrutiert werden. Diese sind nicht Bestandteil unserer Untersuchung in diesem White Paper.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche business-to-business Community
Eine gute Community besteht aus Personen, die für ihr jeweiliges Thema „brennen“. Eine gewisse Leidenschaft, zumindest aber ein stark ausgeprägtes Interesse für ein Thema sind Voraussetzung für die Bereitschaft, sich anderen anzuschließen und seine Zeit damit zu verbringen sich über das Thema auszutauschen. Die Community-Mitglieder wollen in der Regel geben, nicht nehmen. Sie schließen sich der Gemeinschaft nicht an weil sie Rat in einem bestimmten Fall suchen, sondern weil sie ihre Ansichten mit anderen teilen wollen. Die Community lebt also von dem Wunsch zur Interaktion, sie ist kein Kummerkasten und keine Beratungsstelle.
Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, dass sie zu den Themen der Community aktiv beitragen und nicht, dass sie von der Community „ausgeschlachtet“ werden. Da b2b-Unternehmen nicht selten auf der Suche nach dem entscheidenden Wettbewerbsvorteil sind, ist mit besonderer Sorgfalt vorzugehen. Die Angst vor dem Verlust des Wettbewerbsvorsprungs könnte dazu führen, dass einige gehemmt sind und Angst haben Geheimnisse preiszugeben. Diese Teilnehmer brauchen umso mehr das Gefühl der Sicherheit und die Garantie, dass Anonymität wirklich Anonymität bedeutet.
Es gibt zahlreiche Branchen und Berufsgruppen, in denen B2B-Communities gut funktionieren. Zum Beispiel die Landwirtschaft: Landwirte haben starke gemeinsame Interessen. Sie können eine geeignete Community für Düngemittel- oder Pestizidherstellern sein, genauso wie für Hersteller von Landmaschinen.
Auch Mediziner möchten sich in ihrem Fachgebiet stets auf dem letzten Stand der Wissenschaft befinden.
Für Personengruppen wie HR-Manager, Architekten oder Kleinunternehmer könnte es ebenfalls interessant sein, sich einer Community anzuschließen, in der Aspekte ihrer beruflichen Herausforderungen diskutiert werden.
Bei aller Leidenschaft für das Thema: ohne finanzielle Anreize oder eine Aufwandsentschädigung geht es nicht. Es soll schließlich das Interesse der Mitglieder und die Aktivität über mehrere Monate aufrechterhalten bleiben. Die Vergütung variiert und richtet sich nach dem Stand der Person, dem Land und dem Grad des persönlichen Interesses am Thema. Eine Zahlung erfolgt grundsätzlich nur für die Teilnahme an Befragungen. Jedoch ist – wie sonst auch in der Marktforschung – das Geld nicht die eigentliche Motivation für die Teilnahme.
Aufbau und Leitung von business-to-business – Communities
Die Rekrutierung erfolgt über das Telefon oder Online und ist – wie häufig in der b2b-Marktforschung mühsam und aufwändig. Eine b2b-Community sollte um die 500 Teilnehmer haben. Eine Umfrage unter 500 Mitgliedern kann im Durchschnitt etwa 100 Antworten generieren. Perfekt geführte Communities können eine Antwort-Rate von bis zu 50% erreichen.
Ein kontinuierlicher Stream of Content ist wichtig (Relevanz beachten!). Es gilt, das Gefühl zu vermitteln, an etwas Besonderem teilzunehmen, zum inneren Zirkel zu gehören und zu wichtigen Themen gehört zu werden. Solange die Umfragen knapp und bündig sind (max. 10 Fragen!) kann die Community ein oder zwei Umfragen pro Woche „vertragen“. Die Teilnehmer erwarten, dass Ihnen die Ergebnisse aus den Befragungen, an denen sie teilgenommen haben, in aggregierter Form mitgeteilt werden. Brandaktuelle oder exklusive Nachrichten über Produkte und Veranstaltungen des Sponsors sind willkommen. Eine funktionierende Community beruht auf einer ausgewogenen Mischung aus relevantem Content, Umfragen und moderierten Diskussionen. Die aktive Beteiligung von Mitarbeitern des Sponsors ist geeignet, das Gefühl zu bestärken, Teil eines wichtigen Gremiums zu sein und einen gewissen Einfluss auf wichtige Entscheidungen zu haben.
B2B-Communities haben einen begrenzten Lebenszyklus. Zu Beginn steht der mühsame Prozess des Aufbaus der Community. In der Anfangsphase ist die Begeisterung und Motivation der Teilnehmer hoch. Das anfängliche Bangen von Teilnehmern kann durch kurze und interessante Umfragen gelockert werden. Das fördert die Bereitschaft zur Teilnahme an weiteren Befragungen. Irgendwann wird ein Ermüdungseffekt eintreten. Wenn es deutlich wird, dass Routine um sich greift und die Community „alt“ wird, ist es ratsamer, sie zu schließen anstatt Ressourcen in Bemühungen um eine Verjüngung zu stecken.
Die Beendigung einer B2B-Beziehung ist ein wichtiger Moment (das gilt nicht nur für Communities, sondern ganz allgemein für B2B-Geschäftsbeziehungen) und sollte genauso gut gemanagt werden wie die Beziehung bzw. die Community an sich. Die Bedankung für die Mitwirkung ist selbstverständlich, sowie die Möglichkeit Feedback zu geben (positive und negative Erfahrungen). Abschließend bietet es sich an zu fragen inwiefern Interesse an der Teilnahme an weiteren Communities besteht.
Der Wert von business-to-business Communities
Eine Online-Community kann andere Methoden der Marktforschung nicht ersetzen. Die Fragen müssen kurz und knapp sein und können insofern Themen nicht immer allumfassend beleuchten. Allerdings gilt „kurz und knapp“ nicht unbedingt für die Antworten: je nach Relevanz und Interessantheitsgrad kann das Feedback einzelner Teilnehmer äußerst gehaltvoll ausfallen.
Die Stichprobengröße (ca. 500 Teilnehmer, ca. 100 Antworten pro Befragung) lässt es wiederum nicht zu, nach Untergruppen zu analysieren oder statistisch relevante Schlüsse zu ziehen. Auch dieses „Manko“ kann jedoch durch den Gehalt der Antworten ausgeglichen werden.
Was den Charme von Online Communities ausmacht ist – neben dem erwähnten Gehalt der Antworten – die Schnelligkeit. Für eine Befragung, die am Freitagabend gestartet wird, können am Montagmorgen die Ergebnisse vorliegen.
Das hat allerdings seinen Preis: das Set-up und das Management der Community erfordert einen nicht zu unterschätzenden Aufwand und bindet Ressourcen über längere Zeit. Die Ausgaben sind nur dann zu rechtfertigen, wenn sichergestellt ist, dass genügend vagabundierende Fragen und offene Themen für mindestens 6 Monate vorliegen. High-touch Marktforschung hat nun mal ihren Preis.
Fazit
Online Communities sind eine neue und spannende Ergänzung im Werkzeugkasten der B2B-Marktforscher. In einigen Fällen können sie Gruppendiskussionen ersetzen und manchmal sogar quantitative Studien. Ihre Stärke liegt darin, eine maßgeschneidert rekrutierte Gruppe zu sein, die ein hohes Interesse am Thema mitbringt und bereit ist, mit Gleichgesinnten offen zu diskutieren.
Der erste Schritt zu einer erfolgreichen b2b-Community ist die Rekrutierung der richtigen Teilnehmer. Des Weiteren bedarf es eines ausreichenden Themenspektrums, um die Community interessiert zu gestalten und die Mitglieder zu aktivieren. Nur regelmäßige Umfragen rechtfertigen die hohen Fixkosten und ermutigen die Mitglieder zu einer dauerhaften Teilnahme. Noch gibt es wenige b2b-Communities, aber ihr Beitrag zur b2b-Marktforschung könnte steigen. Wir erwarten deshalb eine deutliche Zunahme in naher Zukunft.