Was ist B2B-Marketing? Was sind Business-To-Business Märkte?

Während man vor einigen Jahren noch von Investitionsgüter- und Konsumgütermarketing sprach, haben sich inzwischen die aus dem Englischen abgeleiteten Begriffe Business-to-Business (B2B oder B-to-B) und Business-to-Consumer (B2C oder B-to-C) daneben etabliert. Grundsätzlich geht es bei B2B um die Beziehung zwischen Unternehmen, während B2C die Beziehungen zwischen Unternehmen und Endverbrauchern bezeichnet. Zwar ist die Kommunikation zum Endverbraucher, allseits präsent – im TV, im Radio, in den Printmedien oder auf Plakatwänden werden wir ständig damit konfrontiert – doch darf man deshalb Größe und Bedeutung des B2B-Marketing nicht unterschätzen: Vom Umsatz her ist der B2B-Markt ungefähr dreimal so groß wie der B2C-Markt.

Konkret behandelt der B2B-Markt den Handel mit Anlagen, Systemen, Produkten, Vorprodukten, Dienstleistungen und immateriellen Gegenstände zwischen Unternehmen.

Was genau unterscheidet B2B-Marketing vom B2C-Marketing?

1. B2B- Produkte sind häufig komplexer

Produkte und Services im B2B sind oft um ein Vielfaches komplexer als Endverwender-Produkte. Sie sind nicht selten auch individuell angepasste Entwicklungen für einen speziellen Kunden oder Einsatzzweck, wie zum Beispiel eine Raffinerie-Anlage oder eine Warenwirtschafts-Software. Wichtig für die Akteure im Markt ist das Verständnis der gesamten Wertschöpfungskette. Während sich Consumer Goods immer am Ende dieser Kette befinden, können B2B-Produkte auf ganz unterschiedlichen Stufen eben jener Kette angesiedelt sein: B2B-Produkte können Rohstoffe sein oder Werkzeuge oder Zutaten oder Halbfertigprodukte oder natürlich auch professionelle Dienstleistungen.

Immer muss der B2B-Entscheider den Kontext und die Notwendigkeit der Integration in größere Systeme im Auge behalten. Bei der Entscheidung für einen bestimmten Antrieb für die Fertigung, zum Beispiel eine industrielle Dampfturbine, müssen Sicherheits-, Produktivitäts- und technische Aspekte mit bedacht werden, die bei der Entscheidung für einen Elektroantrieb ganz anders ausfielen.

Der B2B-Marketeer wie auch der B2B-Researcher müssen diese Komplexität sowie die verschiedenen Stufen der Integration kennen und berücksichtigen.

2. In B2B-Märkten herrschen komplexere Entscheidungsstrukturen

Zwar kennen wir auch im Konsumgütermarkt sogenannte Plankäufe – jedoch sind die Planungsphasen überschaubar hinsichtlich Aufwand und Zeit. Im B2B hingegen werden oft mehrere Monate oder gar Jahre bei der Vorbereitung eines großen Abschlusses vergehen und sehr große Datenmengen zur Entscheidungsfindung herangezogen. Impulskäufe, wie sie von Konsumenten häufig getätigt werden sind im B2B nicht ganz auszuschließen, spielen aber insgesamt keine große Rolle.

Damit hängt ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Märkten zusammen: die Zahl und Zusammensetzung der Entscheider. Beim Autokauf wird ein Endverbraucher möglicherweise seinen Partner einbeziehen, der Kreis der Entscheider bleibt aber meist auf wenige Personen beschränkt. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich im B2B eine größere Anzahl an Entscheidern – oft ein Team oder eine Decision Making Unit (DMU) – mit den Anschaffungen. Hier treffen dann die Kenntnisse und Motive mehrerer Fachleute aufeinander, die gemeinsam für die beste Auswahl sorgen. Einkaufsentscheidungen im B2B können reichen:

  • von low risk / low value (Routineeinkauf, hier verwandt dem B2C)
  • über low risk / high value (z. B. Rohstoffe, oft fremdfinanziert)
  • low value / high risk (sogenannte „bottleneck-items“, zum Beispiel ein bestimmtes Ventil in einer Chemieanlage)
  • bis zu high value / high risk (meist strategische Investitionen, z. B. eine ganze Industrieanlage)

The Risk-Value Purchasing Decision Matrix in B2B

risk value1

Das B2B Marketing sollte die Zuordnung der Produkte aus Sicht der Einkäufer kennen und diese bei der Kommunikationsgestaltung berücksichtigen.

3. Der „rationale“ Einkäufer

Hier gilt es einen „Mythos“ zu entlarven: den Mythos, der B2B-Einkäufer handele und entscheide stets rational.

In der Konsumentenforschung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es den sogenannten „homo oeconomicus“ nicht gibt, sondern dass vielmehr unbewusste Vorgänge und Emotionen stets einen hohen Anteil an allen Entscheidungen haben. Anders im b2b: aufgrund von Vorgaben des Unternehmens (z. B. Budget) oder strukturierten Abläufen (z. B. Tender) und aufgrund der Verteilung der Entscheidung auf mehrere Beteiligte (DMU) soll zwar der Prozess so weit wie möglich organisiert und damit rationalisiert werden. Doch gibt es auch hier Beeinflussungen durch Dritte, auch hier werden Rechenaufgaben nicht immer hochgradig exakt gelöst und auch hier gibt es habitualisierte Verhaltensweisen. Das heißt: auch im B2B gilt die Verhaltensökonomie und Entscheider handeln nicht ausschließlich rational.

Dies weist auf die Wichtigkeit von Branding für B2B Marken hin. Eine Marke, die Emotionen hervorruft, wird langfristig mehr Erfolg haben, als eine Marke, die ausschließlich über rationale Faktoren wie Funktionalität, Preis, Termintreue oder Langlebigkeit kommuniziert.

Der B2B-Marketer muss seine Marke auch in dieser emotionalen Dimension verstehen und entsprechend managen. Der B2B-Marktforscher sollte ebenso wie der B2C-Kollege die qualitativen Tools beherrschen, um die Emotionswelten zu erforschen.

4. Nachfragestruktur und Kundenbeziehung

Anders als im B2C ist in B2B-Märkten die Zahl der potenziellen Kunden meist überschaubar und mit entsprechender Sekundärforschung auch zu benennen. Während der Konsument für den Markenhersteller meist anonym bleibt, sind im B2B die Namen der Kunden und oft sogar die der Entscheider gut bekannt. Dementsprechend kommt der persönlichen Kundenbeziehung eine andere, größere Bedeutung zu als im B2C.

Der Lohn der persönlichen Vertriebsarbeit sind oft langjährige Kundenbeziehungen (Kundenloyalität). Zudem ist der Anteil sogenannter After-markets wesentlich höher, was die Kundenbeziehung natürlich stabilisiert (es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass man diese Modelle auch im Geschäft mit Konsumenten findet, Kaffeekapselmaschinen seien als Beispiel genannt).

In nahezu allen business-to-business Märkten folgt die Kundenverteilung dem Pareto- bzw. 80:20-Prinzip.

A Typical Pareto Distribution

pareto

Nicht selten – selbst in sehr großen Unternehmen – entscheiden 100 oder noch weniger Kunden – über das Jahresergebnis.

Keine Frage, dass der B2B-Marketeer ein besonderes Gespür für die Zielgruppe(n) entwickeln und in enger Abstimmung mit dem Key Account Management agieren muss.

5. Kundensegmentierung in B2B-Märkten meist weniger komplex

Unsere Erfahrung aus mehr als 2.000 business-to-business Studien zeigt, dass B2B Märkte meist eine geringere Anzahl verhaltensbasierter- und bedürfnisorientierter Segmente aufweisen, als dies in B2C Märkten der Fall ist. Denkt man an die Zahl möglicher Verfassungen eines Konsumenten im Laufe eines Tages, sowie an die Gesamtheit seiner Bedürfnisse an eben diesem Tag und multipliziert man dies mit der Anzahl der Konsumenten in einem Markt, so wird deutlich warum in manchen Warengruppen bis zu 10, 12 oder noch mehr bedürfnisorientierte Segmente zu finden sind (Beispiele sind Süßwaren oder Tee).

Das Verhalten eines B2B-Einkäufers ist mehr zielgerichtet und durch seine Aufgabe bestimmt und weniger durch ein momentanes persönliches Bedürfnis. Bei einer B2B-Studie treten entsprechend weniger Segmente hervor. Meist finden wir 3 oder 4 Cluster, die auf unterschiedliche Bedürfnisse hinweisen. Beispielhaft seien genannt:

  • ein preis-orientiertes Segment
  • ein an Qualität und Marke orientiertes Segment
  • ein service-fokussiertes Segment
  • ein auf Partnerschaft ausgerichtetes Segment

Dem Marketing-Verantwortlichen hilft eine bedürfnisorientierte Segmentierung bei der Gestaltung der Kommunikation. Aber auch der Vertrieb kann davon profitieren und die Kundenansprache effizienter danach ausrichten.

6. Sub-Brands sind im B2B-Marketing weniger wirksam

Immer wieder fällt uns auf, dass eine unterschätzte und zu wenig genutzte Chance des B2B-Marketing im Brand Building besteht. In einer Welt, in der Differenzierung immer schwieriger wird, ist es umso wichtiger die Marke so zu positionieren, dass sie sich vom Wettbewerb abhebt.

Die Bedeutung der Marke als Kriterium bei der B2B-Einkaufsentscheidung soll zwar in den letzten 10 Jahren gewachsen sein (man spricht von 5% im B2B, während die Marke bei der Konsumentenentscheidung je nach Kategorie eine Wichtigkeit von 30-40% hat).
In dem Wunsch, eine Markenstrategie zu etablieren, haben auch B2B-Unternehmen angefangen, Markenfamilien zu kreieren und unter einer Dachmarke zahlreiche Sub-Brands anzubieten. Im Consumer Marketing wird diese Strategie entworfen, um unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen unter einem einheitlichen Markendach bedienen zu können.

Im B2B jedoch sind die Zielgruppen weniger komplex, sie sind zudem kleiner, und – neben dem Einfluss der Marke – auch durch Beziehungspflege anzusprechen. Da sie zudem meist besser informiert sind, werden verwirrende Produktfamilien mit zahlreichen Sub-Brands häufig als sinnlos, verwirrend, wenn nicht gar als ärgerlich empfunden.

Der B2B-Marketeer sollte sicherstellen, dass die Markenstrategie sorgfältig überprüft wurde hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Zielgruppe. „Weniger ist mehr“ passt hier als Leitmotiv: besser eine starke kohärente Marke, mit der sich Kunden, Stakeholder und Mitarbeiter identifizieren können, als eine verwirrende Aufschlüsselung in Sub-Marken.

Marktforschung in B2B-Märkten

Im B2B gilt genauso wie im Konsumentengeschäft: nur wer seine Kunden und deren Bedürfnisse genau kennt und versteht (und Produkte entwickelt, die diesen Bedürfnissen entsprechen), hat wirklich nachhaltigen Erfolg. B2B Marktforschung hat sich deshalb in den letzten Jahren als feste Größe im internationalen Marketing etabliert. Die Fragen sind oft ähnlich wie in der Konsumentenforschung:

  • Welche Kundenbedürfnisse gibt es (needs assessment)?
  • Wie sieht der Entscheidungsbaum aus (Decision Tree)?
  • Wie zufrieden sind meine Kunden (customer satisfaction studies)? Wie loyal sind sie (customer loyalty studies)?
  • Wie kann ich mehr Kundenzufriedenheit erreichen (Customer Journey Mapping, Touch Point Analysis)?
  • Wie wird meine Marke wahrgenommen (Branding Studies) und wohin sollte ich sie entwickeln (Proposition Development)?
  • Wie ist die Wahrnehmung meiner Marke im Vergleich zu Wettbewerbsmarken?
  • Welchen Preis sind die Kunden gewillt zu zahlen (pricing research)?
  • Welche ungenutzten Potentiale schlummern noch im Markt (market assessment)?
  • Welche Inhalte und Botschaften sollten kommuniziert werden, um größtmögliche Wirkung zu erzielen (advertising research, advertising effectiveness)?

Der Unterschied zur Konsumentenmarktforschung liegt eher im Methodenspektrum.

  • Secondary Research (Desk Research) spielt eine wesentliche größere Rolle.
  • Die Zielgruppe ist mitunter schwierig zu definieren (und sollte keinesfalls nur anhand des Job Titles definiert werden)
  • Auch wenn sie klar umrissen ist, so ist sie in vielen Fällen schwerer zugänglich (nicht selten ist zunächst ein gate-keeper zu überwinden)

Diese nicht geringen Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Marktforschung machen deutlich, dass Unternehmen auf B2B-Research spezialisierte Institute als Partner wählen sollten. Erfahrung in der Ansprache schwieriger Zielgruppen, B2B-erfahrene, motivierte und sprachgewandte Interviewer sowie state-of-the-art know-how in Bezug auf desk research sind drei wichtige Credentials, über die ein B2B-Research-Institut verfügen muss. Da viele B2B-Projekte eine strategische Ausrichtung haben, sollte ein B2B-Spezialist nicht nur die Forschungsseite perfekt beherrschen, sondern auch in der strategischen Beratung versiert sein. Die Beherrschung und Anwendung strategischer Frameworks, wie z. Bsp. der Porter’s Five Forces Analysis, der Directional Policy Matrix oder der PESTLE-Analysis sollten zum Handwerkszeug des Instituts und seiner Mitarbeiter gehören.

Schlussbemerkungen

Der B2B-Einkäufer, diese Verallgemeinerung sei gestattet, ist anspruchsvoller als ein Konsument beim Erledigungseinkauf. Er trägt die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Einkaufsentscheidungen gegenüber dem Unternehmen und sucht deshalb nach größtmöglicher Information und nach Sicherheit bei seinen Entscheidungen.

Der Vorteil für den B2B-Marketeer liegt darin, dass das Einkaufsverhalten seiner Kunden in höherem Maße vorhersehbar ist, als dies für Konsumenten gilt.

Diese „Vorhersage“ bzw. Einschätzung erfolgt auf Basis von gewonnener Business Intelligence aus Primär- und Sekundärforschung. Je besser diese erforscht sind, desto besser können die Kundenbedürfnisse erfüllt werden.