Vorsicht! – Zahlen muss man im Zusammenhang sehen

Stellen wir uns einmal vor wir arbeiten für ein Unternehmen, das davon überzeugt ist sein Erfolg hinge nur davon ab Anfragen möglichst sofort in viele Aufträge zu verwandeln – und Jeder, der hierbei eine hohe Erfolgsrate aufweisen könnte, würde mit einem stattlichen Bonus belohnt. Was glauben Sie würde passieren?

Höchstwahrscheinlich würden die Mitarbeiter zukünftig um die Anfragen bisheriger Kunden streiten, da die Erfolgsquote bei Ihnen tendenziell im Vergleich zu Neukunden um einiges höher liegt. Anfragen von Neukunden würden beiseitegeschoben und  Mitarbeiter würden sich in erster Linie darum bemühen Bestandskunden zu ergattern, um einen möglichst hohen Bonus zu erhalten. Auf Dauer wäre das natürlich fatal, denn eine jede Firma lebt unter anderem von der erfolgreichen Neukundenakquise.

In seinem Buch The Tyranny Of Metrics argumentiert Professor Jerry Muller, dass unser Hang menschliche Leistung zu quantifizieren eine verhängnisvolle Auswirkung auf Wirtschaft, Politik und Gesundheitswesen habe. Er behauptet, dass die wichtigste Voraussetzung für eine Entscheidungsfindung eine kompetente Beurteilung sei. Metriken seien am wirkungsvollsten in den Händen derjenigen, die sie direkt anwenden müssten und nicht in den Führungsetagen, wo man in erster Linie auf steigende Ergebnisse achte.

Muller führt das zugegeben ziemlich extreme Beispiel des amerikanischen Verteidigungsministers Robert McNamara auf. McNamara propagierte während des Vietnamkrieges, dass die Anzahl der getöteten Feinde jedem Schritt zum Kriegserfolg gleichkäme. Der sogenannte „Body Count“  wurde zu einer missbrauchten Messgröße, von der sich die militärischen Einheiten Prestige und Anerkennung versprachen.

Laut Muller würde sich ein ähnlicher Effekt unter Herzchirurgen beobachten lassen, die man an der Anzahl der Leben, die sie gerettet hätten, beurteile. Sie würden instinktiv die Patienten vorziehen, die mit weniger schlimmen kardiologischen Erkrankungen zu ihnen kämen und somit eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hätten. Trotz statistisch steigender Erfolgsquoten in der Kardiologie, würden die wirklich schwerwiegenden Krankheitsfälle zukünftig schlechter untersucht, was die Forschung maßgeblich zurückwerfen würde.

Das Tagewerk eines jeden Marktforschers besteht aus der Deutung von Zahlen und Aussagen, die dazu genutzt werden Entwicklungen zu erkennen und vorauszusagen und die zukünftige Unternehmensstrategie zu untermauern. Doch kein Marktforscher ist komplett unvoreingenommen und so passiert es schnell, dass Ergebnisse nur unter Auswahl bestimmter Gesichtspunkte betrachtet werden und nur „die halbe Wahrheit“ darstellen.

Es gibt einen alten Spruch: „If you can’t measure it, you can’t manage it“. Das stimmt so nicht. Natürlich brauchen wir Messwerte und Zahlen um unsere Geschäfte zu führen, aber das darf nie zu Lasten einer gesunden Beurteilung gehen. Messwerte gehören deshalb in die Hände derjenigen, die auch wirklich etwas damit anfangen können.

 
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