„Neu“ ist eines der meistgebrauchten Wörter im Marketingvokabular. Es verspricht das Bessere. Es verkauft Hoffnung. Eigentlich möchte jeder immer „das Neue“ oder „etwas Neues“ – was dazu führt, dass wir Marktforscher ständig Neues erforschen.
Aber sind wir selbst auch innovativ, auf der Suche nach Neuem? Es gibt etliche Bereiche in der Welt der Marktforschung, an denen sich über Jahre (aus gutem Grund) nichts geändert hat. Das hat u. a. mit Qualität zu tun und damit, dass unsere Forschung evidenzbasiert sein sollte. Mit anderen Worten erprobt und validiert.
Nichts desto trotz gibt es Neuerungen, Veränderungen, Bewegungen. Was sich zum Beispiel in der quantitativen Forschung stark verändert hat ist die Methode der Befragung: vom persönlichen Interview (65% Anteil in 1990; 24% in 2015) über telefonische Befragungen (22% in 1990; 33% in 2015) zu Online Interviews (34% in 2015, in 1990 noch null). 2015 taucht auch erstmals ein neues Pflänzchen auf: Erstmals wurden 1% der Befragungen per Mobile App beantwortet (Quelle: ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V.).
Online Research wird auch in der B2B Marktforschern populärer. Je nach Land und Zielgruppe kann man Teilnehmer aus B2B Panels einladen und eine quantitative Befragung zu geringeren Kosten durchführen. Zum Beispiel zur Evaluierung eines neuen Konzepts oder eine Conjoint-Studie zum Thema Preis. Noch vor nicht allzu langer Zeit konnte eine solche Studie im B2B nur mit Hilfe von (einigen wenigen) persönlichen Interviews durchgeführt werden. Diese waren so horrend teuer, dass man sie nur mit so etwas seltenem wie dem karierten Maiglöckchen vergleichen kann. Technologischer Fortschritt hat in den letzten 20 Jahren dazu beigetragen, dass die Kosten für Marktforschung drastisch gesunken sind.
Auch in der qualitativen Marktforschung hinterlassen neue Technologien ihre Spuren. In der Verbrauchermarktforschung gibt es einen Anstieg der „Communities“ – eine Gruppe wird rekrutiert um über ein bestimmtes Thema in Foren, Blogs und Diaries zu diskutieren. Auch dieser Ansatz kommt jetzt im B2B an: noch ist es nicht ganz leicht B2B Entscheider für eine solches Projekt zu rekrutieren, aber in Einzelfällen gab es bereits erfolgreiche und für die Marktforschung fruchtbare Communities.
Die beträchtliche (Daten-)Menge aus Antworten zu offenen Fragen harrt immer noch eines Durchbruchs der Technologie, um sie zu analysieren. Text Analytics wird immer besser, aber es ist nach wie vor ein überwiegend manueller Job Verbatims zu codieren. Das ist im B2B nicht ganz so ein Problem – der Stichprobenumfang ist immer noch deutlich kleiner als in Konsumentenstudien.
Qualitative B2B Marktforschung hat sich insofern gewandelt, als sie sich nicht mehr ganz so einseitig daherkommt. Neben Fokusgruppen und Tiefeninterviews (auch telefonisch) können ethnographische Studien, Desk Research oder semi-strukturierte Experteninterviews wertwolle Insights dazu liefern.
Bei der Berichterstellung ist seit Jahrzehnten unverändert PowerPoint das (durchaus polarisierende) Mittel zum Zweck. Daneben haben sich Online-Dashboards (z. B. in Trackingstudien), Infografiken, die die Kernergebnisse anschaulich darstellen, und Videos (mit Teilnehmerstimmen oder Erläuterungen des Analysten) einen Platz erobert.
„Solange Marktforscher Technologietrends nicht selbst voran treiben anstatt sich ihrer nur zu bedienen, sind sie anfällig für Angriffe von Außenseitern, die Technologien entwickeln, die die Forschungsfragen beantworten“. So sinngemäß gelesen bei Tim Macer und Sheila Wilson in Proceedings Of The Association For Survey Computing. Das ist dann nicht immer evidenzbasiert und validiert, aber neu.