Ein Mann geht in eine Bar und bestellt einen doppelten Whisky. Als er bestellt, fragt er nicht nach dem Preis des Drinks. Als er bezahlt, hält er dem Kellner einen 20-€-Schein entgegen. Das Restgeld, das er zurückbekommt, überprüft er nicht. Am nächsten Tag geht derselbe Mann in sein Büro, öffnet seine Tabellenkalkulation und vergleicht zwei potentielle Zulieferer. In seiner Tabelle hat er sämtliche Kosten aufgelistet und bewertet beide Lieferanten nach verschiedenen Gesichtspunkten, wie zum Beispiel die Qualität der angebotenen Produkte, die Jahre an Erfahrung, die der Zulieferer in der Branche vorweisen kann, das Ausmaß an Flexibilität, um nur ein paar Variablen zu nennen.
Es ist Samstag, als eine Frau ihren Einkaufswagen durch den Gang eines Supermarktes schiebt. Ein Kleinkind sitzt im Kindersitz und brabbelt fröhlich vor sich hin. Die Artikel, die auf ihrer Einkaufsliste stehen, nimmt Sie zügig von den Regalen und wirft sie in ihren Einkaufswagen. An der Kasse zieht die Verkäuferin sorgfältig Ware für Ware über den Scanner: Das macht 95 € und 50 Cent, bitte. Die Frau bezahlt für ihren Einkauf mit der Karte. Am darauf folgenden Montag nimmt die Frau, gut erholt vom Wochenende, (oder doch eher erschöpft?) ein Treffen mit einem potentiellen Personaldienstleister entgegen. Sie verbringt den Vormittag eingehend damit, das vom Dienstleister abgegebene Preisangebot zu studieren.
Was unterscheidet die beiden Kaufszenarien? In den nachgestellten Situationen verhält sich ein und dieselbe Person auf komplett unterschiedliche Weise. Das Szenario, das uns zum Konsumenten macht, lässt uns weniger auf den Preis achten. Während in einem geschäftlichen Kontext der Preis akribisch unter die Lupe genommen wird. Spielt der Geldbetrag, auf den Kaufentscheidungsprozesse basieren, eine Rolle? Oder beeinflussen die Art der Produkte (oder Serviceleistungen), wie wir uns in einer Kaufsituation verhalten? Geht es vielleicht doch darum, dass wir in den ersten Szenarien unser eigenens Geld in unsere Wünsche und Bedürfnisse stecken, während wir in den nachfolgenden Situationen das Geld eines anderen investieren?
Eins ist sicher: All diese Faktoren wirken sich unterschiedlich stark auf unser Handeln aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Herr diese Bar bereits mehrere Male aufgesucht hat. Er kennt die Getränkepreise und stellt sich nicht jedes Mal, wenn ihm nach einem Whisky ist, die Frage nach dem Preis. Die Frau erledigt ihren Einkauf wahrscheinlich regelmäßig in diesem Supermarkt und geht davon aus, dass dort die Produkte zu einem angemessenen Preis angeboten werden. Hierzu kommt noch, dass die Frau diese Artikel für ihren Eigenverbrauch benötigt und deshalb den Preis für die Produkte weniger hinterfragt.
In dem Sinne kann man auch sagen, dass es sich bei Kaufentscheidungsprozessen, die in einem geschäftlichen Kontext stattfinden, um einen wesentlich größeren Transaktionswert handelt, der verwaltet werden muss. Umgekehrt kann es auch sein, dass es sich bei Betrachtung des Gesamtgeschäftsvolumen des Konzerns doch wieder um einen kleinen Geldbetrag dreht. Es wird sowohl von dem Mann als auch der Frau erwartet, sich innerhalb ihrer Position in ihrem geschäftlichen Umfeld professionell zu verhalten. Beide müssen unter Beweis stellen, gut durchdachte Entscheidungen zu treffen, die den Erwartungen ihres Unternehmens entsprechen.
Das bringt mich zum wesentlichen Punkt meiner Überlegungen – der soziale Kontext, in welchem es gilt, eine Kaufentscheidung zu fällen, hat massiven Einfluss auf unser Verhalten. Egal ob wir uns privat eine neues Auto, eines neues Haus kaufen, oder ein Glas Whisky bestellen, bei allen drei Anschaffungen wird auf den Preis in unterschiedlichem Maße geachtet. Sogar bei einer großen Neuanschaffung, wie zum Beispiel einem neuen Haus, können wir uns wahrscheinlich selbst in einer Situation sehen, bei der wir einen Preis hinnehmen, der maßgeblich über dem Erstangebot lag. In einem „Business to Business“- Umfeld wird die eigene Kaufentscheidung von allen Seiten geprüft und hinterfragt. Man muss seine Entscheidung vor allen Beteiligten rechtfertigen und man muss beweisen können, dass die Kaufentscheidung unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren richtig getroffen wurde. Diese Ausführungen scheinen mehr oder weniger einleuchtend.
Deshalb stellt sich die Frage: Inwiefern lenken Emotionen unser Verhalten bei Kaufentscheidungsprozessen, die in einem Unternehmenskontext getroffen werden? Emotionen mögen zwar einen viel geringeren Einfluss auf unser Verhalten innerhalb des Arbeitsumfeldes haben, das bedeutet aber nicht, dass sie komplett zu ignorieren sind. Es ist von enormer Wichtigkeit für diejenige Person, die den Einkauf innerhalb eines Unternehmens leitet, dass die geschäftliche Beziehung mit dem Zulieferer einwandfrei funktioniert. Das bedeutet auch, dass sich die Reputation oder das Markenimage des Zulieferers stark auf das Entscheidungsverhalten des Einkäufers gegenüber des Zulieferers auswirkt. Es lässt sich leider nur schwer sagen, in welchem Ausmaß diese Faktoren unsere Kaufentscheidungsprozesse direkt beeinflussen. Kaufeintscheidungen in einem Unternehmenskontext lassen sich leichter rechtfertigen, in dem man die Kriterien verändert, anhand denen eine Bewertung abgegeben wird. Zulieferer X wird als verlässlicher als Zulieferer Y eingestuft. Lieferant A wird aufgrund des Kundenportfolios und den positiven Erfahrungsberichten als die sicherere Wahl bewertet.
Aus welchen Gründen wird ein Lieferant gegenüber einem anderen bevorzugt? Die wesentlichen Einflussfaktoren zu verstehen, ist mitunter einer der wichtigsten Voraussetzungen für Vermarkter in einem „Business-to-Business“-Umfeld. Es ist deshalb überraschend und zugleich erschreckend, dass die Mehrheit der Kaufentscheidungsprozesse nicht unabhängig voneinander untersucht werden, sondern nur auf Vermutungen und Vorurteilen basieren, die meistens vom Verkaufspersonal getätigt werden. Kein Wunder, dass viele B2B-Unternehmen das Geld aus dem Fenster werfen.